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Hanno Erdwein

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"Mach doch mal das Scheiß-Radio leiser!" Bob gehorchte unwillig.
"Meine Lieblingsscheibe, ausgerechnet!" Die alles verschluckende
Technowolke schrunpfte zusammen zu leisem Säuseln, so daß der
Straßenlärm durch die schräggestellten Fenster hereinschwappte.
Jessy warf die New-York-Times auf den Tisch. "Lies mal!" Er griff
danach und verzog angewidert die Lippen. Zeitunglesen war heute
nicht sein Ding. Und Jessy kam ihm in letzter Zeit mit so
verrückten Ideen wie Arbeitsuchen. Sie hatte doch einen Job. Was
wollten sie mehr? "Seite drei unten rechts", dirigierte sie
seinen trägen Blick. Mit einigen belästigten Seufzern faltete
er das Blatt auf handliche Größe und las ärgerlich vor: "Schon
wieder ein homosex .." Sah entrüstet zu ihr hoch. "Verdammt noch
mal, weshalb soll ich das lesen?" "Warst Du nicht in Deiner
Glanzzeit ein überaus erfolgreicher Detektiv?" "Ach diese Kiste
wieder." Knallte verärgert die Zeitung auf den Tisch. "Wann hört
das endlich auf, daß Du mir Arbeit aufhalsen willst?!" "Bob
Lloydt!" Jessy rückte ihm mit ihren reizenden fünfundfünfzig Kilo
auf den Pelz und boxte spielerisch gegen seinen Bizeps. "Wenn Du
nicht bald was unternimmst, werden die da erst Pudding und
hinterher gar nicht mehr vorhanden sein. Außerdem hab ich es
satt, uns allein durchzufüttern. Verstanden!" Das war deutlich.
So deutlich, wie er es von seiner liebreizenden Freundin nie
erwartet hätte. Seine Augen suchten die in Griffweite geparkte
Whiskyflasche. "Pech gehabt", grinste sie bösartig. "Hab ich erst
mal in Sicherheit gebracht. Zu saufen gibts erst nach getaner
Arbeit." Das war noch deutlicher. Mit einem Sprung, den ein
gereizter Panther nicht besser hingelegt hätte, kam er auf die
Füße: "Jessika Hillery!", fauchte er raubtierhaft. trat aber
angesichts des eisigen Glitzerns in ihren Augen voll auf die
Bremse. "Also gut. Was soll es sein? Jemanden umlegen oder
raushauen? Oder soll ich Das Gold von Fort Knox bewachen?" "Gib
Dir keine Mühe, spaßig zu wirken", warf sie leichthin. "Mit
bescheidenen Recherchen läßt sich auch Geld verdienen." "Sind
aber erheblich langweiliger", knurrte er und griff wieder nach
der Zeitung. "Man hat also eine Schwuchtel kalt gemacht." Grinste
über sein blödes Wortspiel und nahm die wenigen Zeilen
widerwillig in sich auf. Die Polizei kam seit gut einer Woche
nicht vom Fleck und bat um sachdienliche Hinweise aus der
Bevölkerung. "Ein richtiger Scheiß Job, bei dem mam vom
Herumlatschen Plattfüße kriegt." Er sah hoch und senkte gleich
ergeben den Blick. "Okay. Ich machs."

Zuerst zu dem Typ, der für die Plackerei die Kohle rausrückte.
Der Vorschuß war nicht übel. Bob sah sich in dieser Plüschbude
nicht gerade diskret um. Der Schwuli beobachtete sein tun mit
triefnassem Blick. "Ihr hrrm Freund lebte hier mit Ihnen und ..
ja, er kam an jenem Abend .." "Ich war mit ihm zum Essen
verabredet. James kam nie zu spät", schluchzte er mit hysterisch
kicksender Stimme. "Jaja. Aber dann fand ihn ein Jogger im
Centralpark. Habs gelesen." Er kramte schnaufend Zigaretten und
Feuerzeug aus der Tasche. "Darf ich?" Bevor der andere verneinen
konnte hatte er den brennenden Glimmstengel schon zwischen den
Lippen. "Höchst merkwürdig finde ich die Art und Weise, wie man
ihren hrrm Freund umgebracht hat." "Ja?" Asche stäubte auf den
Flockati. "Elektroschock. Hab mir die medizinische Analyse mal
durchgelesen. Ein technisches Unding. So hohe Spannungen erzeugt
man nicht mit einem herkömmlichen Schocker." "Nein?" Wieder bekam
der Flauscheteppich eine Ladung Ashe ab. "Nun ja. Werde der Sache
mal nachgehen." Dann ließ er sich noch erzählen, was jeder von
den beiden an jenem besagten Tag getrieben hatte. Angaben, die
nach Büromief und Waschlauge rochen. Er, Robert Kirk, hatte sich
in seiner Anwaltskanzlei von scheidungswütigen Weibsen die Ohren
vollsülzen lassen. Sein hrrm Freund James Walker spielte derweil
das häusliche Heimchen am Herd. "Und was hatte er in oder am
Centralpark zu schaffen?" Kirk zuckte mit den schmalen Schultern.
Vielleicht brachte er Sachen zur Wäscherei? Kann auch sein, daß
.." "Ja?" "Er, er hatte Probleme mit Hämorrhoiden." "Ach ja."
"Und, und war deswegen in Behandlung." Eine ganze Aschenwurst
zerstäubte zu Bobs Füßen. "Okay. Brauch dann noch die Namen vom
Quacksalber und dieses Schleudergangstudios." Das notierte er
sich. Tippte an seinen Hutrand und war froh, gleich daraufwieder
die abgasgeschwängerte Straßenluft atmen zu können.

Weder der Internist noch der Halter des Waschsalons hatten Mister
Walker an jenem Tag zu Gesicht bekommen. Bob wußte es. Es war
einer dieser gottverdammten Plattfüße-Jobs. Tagelang herumlaufen
müssen für einen feuchten Afterwind. Sinnend stand er am Eingang
zum Centralpark und stierte hinein. Da hinten irgendwo hatte man
vor Jahren John Lennon abgeknallt. Und nun war es ein schwuler
Bubi, den irgendwer mit einem Hochspannungsgerät grillen wollte.
Auf was für abgefuckte Ideen die Leute kamen! Wind frischte auf
und blies ihm feucht in den Nacken. Er stellte den Mantelkragen
hoch und drückte den Hut tiefer in die Stirn. Kramte verdrossen
in seinen Taschen. Die Zigarettenschachtel war leer. Fern
langgezogenes Heulen eines Streifenwagens. Graues Licht hing in
den Baumkronen. Er war ein gutes Stück in den Park
hineingeschlendert. Was wollte er hier? Bei dem Dreckwetter war
eh kein Arsch unterwegs. Nur er armes Schwein mußte einen
Mörder suchen, weil Jessy sich das in den Kopf gesetzt hatte.
Verdammte Weiber!

Hier nur so herumzusitzen war wohl das Sinnloseste, was ihm
einfallen konnte. Jedenfalls bot ihm der Pavillon Schutz vor dem
Dreckwetter. Zur Westseite gab es eine Schutzwand.
Windböen
drückten Regenschauer dagegen. Buschwerk bog sich unter heftigen
Böen. Hier also hatte man James mit dem verträumten Mädchenblick
erledigt. Aber weshalb? Die Leiche wies weiter keine Spuren von
Gewalt auf. Auch keine, die auf sexuellen Mißbrauch hingewiesen
hätten. Was war dann das Motiv? Ach du liebe Zeit! Motive gab es
wie Sand am Meer. Nur - welches paßte zu diesem Mord? Wieder
wühlte er in den Taschen nach nicht vorhandenen Zigaretten.
Schnippte ein paar mal mit dem Feuerzeug. Zog endlich einen
Streifen Kaugummi hervor und schob ihn sich ärgerlich in den
Mund. Eine Leiche. Ein absurder Mord. Keine Ideen. Was
Schlimmeres konnte er sich nicht vorstellen.

Über den von Wasserlachen glänzenden Weg kam jemand
dahergeschlendert. Ein junger Mann von mittlerer Gestalt.
Schlank. Schmale Schultern. Langes rostbraunes Haar. Er trug
nichts, was die immer noch heftigen Regenschauer abgewehrt hätte.
Bei der sommerlich leichten Bekleidung, mußte er bis auf die Haut
durchnäßt sein. Normalerweise sucht man in geduckter Haltung mit
raschen Schritten den nächstbesten Unterstand auf. Er aber kam
daher, als ginge ihn der Pladderregen nicht die Bohne an. Obschon
ihm der Wind das nasse Haar ins Gesicht blies, promenierte er
unter scheinbar freundlichster Sonne dahin. Bob besah sich den
Sonderling. Ein armer Irrer! Mehr Aufmerksamkeit verschwendete er
nicht auf den Vorfall. Und das war ein Fehler.

Irgendwann wachte er auf und konnte sich nicht erinnern, wie er
hierhergekommen war. Immer noch klatschte Regen aufs Pavillon-
Dach. Finsternis umgab ihn. Es war Nacht. Dem Chronometer an
seinem Handgelenk zufolge mußte er mehr als zwölf Stunden
geschlafen haben. Das brachte er selbst bei Volltrunkenheit nicht
zustande. Volltrunkenheit? Lächerlich. In den letzten zwei Tagen
hatte er nicht mal an Alkohol riechen dürfen. Oweh, Jessy. Sie
würde sich Sorgen machen. Sollte sie! Verdammt ja, das sollte sie
wirklich. Sie hatte ihm diesen Schwachsinns-Job aufgehalst. Er
richtete sich auf und griff stöhnend an seinen Kopf. So einen
Brummschädel hatte er lange schon nicht mehr gefühlt. Wieso aber,
verdammt noch mal? Und nicht mal kalt war ihm. Aber übel.
Geradezu speiübel! Und eigentlich müßte er bei der hohen
Luftfeuchtigkeit total durchfroren sein und den Anfang einer
zünftigen Bronchitis haben. Nicht mal die Bekleidung fühlte sich
klamm an, Es sah so aus, als wäre er vor wenigen
Minuten aus einer warmen Umgebung weggebracht und hierhergelegt
worden. Völlig absurd! Mit dem Aufstehen hatte er Mühe. Die Beine
wirkten wie Weichkäse. Er schlenkerte eine Weile damit, bis
er das Blut heftig pulsieren fühlte. Dann stampfte er herum und
befahl seinem innren Sauhund, sich zusammenzureißen. Für alles
gab es jedenfalls eine plausible Erklärung. Er sollte endlich
weniger Saufen und sich mehr Bewegung machen. Es war wohl der
längst fällige Warnschuß vor den Bug. - Aber auch hierin irrte er
sich gewaltig.

Jessy lag im Tiefschlaf. Als er zu ihr kroch, drehte sie sich
seufzend herum und prüfte aus Gewohnheit schnuppernd die Luft.
Dabei wachte sie nicht mal auf. Er grinste. Wickelte sich in
seinen Deckenteil und tauchte traumlos ab.

"Ah, Bob Lloydt! Wieder mal auf der Pirsch?" Inspector Grand
tippte ihm auf die Schulter. bob löste den Blick von den Seiten
des Aktenordners und sah Grand gelangweilt an. "Und wenn schon.
Was geht Sie das an?" "Hängt ganz von der Fährte ab, auf der Sie
dahinhecheln." Grand hob sich auf die Zehen und peilte ihm über
die Schulter. "Sie an. Sie durchstöbern alte Polizeianalen nach
Morden an Schwulen." Tätschelte mitleidig Bobs Arm. "Eiskalte
Fährte, mein Bester. Als wenn wir das nicht längst schon getan
hätten." "Auch Euch Bullen entgeht mal was." "Völlig richtig,
Old Boy. Aber dann wirst Du das pflichtschuldigst melden. Klar?"
"Fuck yurself!" "Grand stieß ihm die Faust in die Nieren: "Pure
Verschwendung. Gibt bessere Plätze dafür." Und zog ab. Sie
kannten und schätzten sich seit Jahren. Hatten eine Zeitlang in
der gleichen Abteilung gearbeitet. Dann wurde Bob gefeuert. Der
"Oberdruide" hatte was gegen Alkohol im Dienst. Grand behielt
Recht. Ärgerlich warf er die Akte zu und schob sie zurück auf
den Haufen. Hier gab es keine heiße Spur. Mit den Fäusten in den
Manteltaschen trat er auf die Straße. Ein frischer Wind trieb
graues Gewölk vor sich her. Aber es war trocken. Was mochte
diesem James im Centralpark begegnet sein? Wer - um Himmels
Willen - konnte Interesse haben, einen kleinen Schwulen auf diese
idiotische Weise zu töten? Und wieder einmal fragte er sich, was
das für ein Mordsding gewesen war, das derartige Schläge
versetzen konnte. Der Pathologe hatte bei James ein grundsolides
Herz diagnostiziert.

Wieder steuerte er auf den Park los. Hier irgendwo mußte die
Lösung zu finden sein. Ohne darauf zu achten, wohin er die
Schritte lenkte, ging er grübelnd vorwärts. Der Park stand in
engem Zusammenhang mit der Tat, war vielleicht Auslöser oder
Anlaß. Vielleicht hatte James etwas entdeckt, was er nicht
entdecken sollte. Dealer hatten hier ihren Umschlagplatz.
Heimliche Treffs wurden verabredet, für die es genug geeignete
Winkel gab. War er ungewollt in so was hineingestolpert? Aber was
hatte er überhaupt hier gewollt? Ein wenig Ausspannen? Merkwürdig
wäre es schon, wenn jemand, der nur mal Luft schnappen will, in
den abgelegensten Winkeln des Centralparks herumkriechen würde.
Aber wer konnte wissen, was in so einem Hirn vorging.

Ungewollt war auch er in abseitige Regionen vorgedrungen.
Schmalere Wege. Dichtes Buschwerk. Immer wieder Pfade, die
seitab führten, wo sich Pärchen ungestört beschäftigen
konnten. Pärchen? Robert Kirk schwor darauf, daß James ein
braver Junge war. Das mochte nun stimmen oder nicht. Der
Befund? Ja zum Teufel! Der verdammte kriminaltechnische
Befund wies dazu nichts aus. Aber was besagte das schon.

Seit einer geraumen Weile hatte er ein merkwürdiges Gefühl.
Konnte das aber nicht genau benennen. War so eine Mischung
von stark ozonhaltiger Luft wie nach einem Gewitter und dazu
Kribbeln auf der Haut. Das Nackenhaar juckte und knisterte.
Wahrhaft verteufelt komischer Zustand! Nun blieb er stehen.
Sah irritiert um sich. Nichts Technisches in der Nähe. Und
für Donner und Blitz war es nicht schwül genug. Resigniert
ging er weiter. Die Empfindung verstärkte sich. Auch begann
die Luft mit einem mal zu leuchten. Eine Helligkeit, die mit
dem Tageslicht, in welchem nach wie vor Schiefergrau
vorherrschte, nichts zu tun hatte. Das wiederum löste in ihm
so etwas wie Euphorie aus. Drei große Gläser Bourbon mochten
ähnlich wirken. Was zum Henker war das? Dann wußte er
plötzlich nichts mehr von sich.

Als er dann aus irgendwelchen sternenfernen
Kindheitsphantasien in die Gegenwart zurückkehrte, fand er
sich auf einer Art Liege ausgestreckt. Nach alter Gewohnheit
wollte er sich mit einem Ruck aufrichten. So sehr er auch
seine Muskeln anspannte, es gelang ihm nicht. Was war das?
Nicht mal den kleinen Finger vermochte er von der Oberfläche
des Lagers abzuheben. Soweit es der Blickwinkel zuließ,
spähte er um sich. Ein höchst merkwürdiger Raum war das. Die
Wände bestanden aus einem ihm nicht bekannten Material. Nach
der Struktur hätte es PVC sein können. Allerdings hatte er
noch nie gesehen, daß PVC von selbst leuchtete. Apparaturen
standen nahe seiner Streckbank, deren Sinn und Zweck vom
äußeren Erscheinungsbild nicht zu erraten war. Nichts daran
erinnerte ihn an irgend etwas, was er schon mal gesehen
hatte. Er hob den Blick zur Decke, ober, was er für die
Decke des Raums hielt. Dicht darunter schwebte eine Kugel.
Schweben war offensichtlich die treffenste Bezeichnung; denn
nirgends sah er etwas, was die Kugel hätte halten können.
Und sie bewegte sich immerfort in die verschiedensten
Richtungen, so daß er sie mal von unten, dann wieder von der
Seite betrachten konnte. Nein, das Ding wurde durch keinen
noch so dünnen Faden gehalten. Wenn er dazu in der Lage
gewesen wär, hätte er sich kneifen mögen, um aus diesem
verdammt dämlichen Traum endlich zu erwachen. Wieder hielt
die medizinball große Kugel unmittelbar über ihm. Ein
eigenartiger Dunst, wolkige Schleier umgaben sie da und dort
und verwehrten die Draufsicht. Und dort, wo etwas zu
erkennen war, sah es ... ja, wie denn? Das sah exakt so aus,
als blicke man aus dem All auf die Erde.

Die Fremden führten ihn in einen anderen Raum. Es glich
entfernt dem Kogpit eines Großraumflugzeugs. Überall Mini-
Monitore. Eigenartige Skalen. Knöpfe. Hebel. Sinn und
Funktion blieben ihm verborgen, bis sich einer seiner
BEgleiter zu schaffen machte. Zuerst wurde einer der Wände
durchsichtig und bot den atemberaubenden Blick auf das
sternenübersäte All. Ihn schwindelte. Er mußte sich an einen
seiner Wächter festhalten, sonst wär er gestürzt. Zugleich
registrierte er, wie mulmig ihm vor Hunger war. Aber dieser
Blick durch die Wand - war das nun real oder nur eine
Vorspiegelung? Einige der bunten Punkte bewegten sich, als
kämen sie langsam und dann immer rascher auf den Betrachter
zu. Was bedeutete das? Der Mann an den Konsolen nahm die
Hand von den Schaltelementen, drehte sich zu ihm um und
lächelte. Bob erkannte ihn. Es war jener langhaarige junge
Mann, der so seltsam dem Regen getrotzt hatte. Er sah ihm
direkt in die augen. Das waren weiß Gott nicht die Augen
eines jungen Mannes. In ihnen spiegelte sich die Erfahrung
etlicher Generationen. Mein Gott! Wo war er und was sollte
das?! Wenn er jetzt nicht bald was zu trinken bekam, würde
er den Verstand verlieren! Auf einen Wink des ihm bekannten
mannes, den er für den Anführer hielt, trat einer seiner
Begleiter an eine andere Wand, griff durch sie hindurch und
zog - das verschlug ihm den Atem - eine Flasche Bourbon
heraus. Das mußte man sich nur mal vorstellen. Und wenn er
dies am Tresen in Jimmies Kneipe erzählte, würden sie ihn
für völlig durchgeknallt halten. Vielleicht war er das
bereits. Der Fremde griff mit der Linken - und er sah das
erst jetzt, seine Hände hatten nur vier finger - die
Flasche. Schnippte mit der anderen und hielt, war das ein
Zaubertrick?, plötzlich ein Trinkgefäß umfaßt. "Zum Wohl",
lächelte der Kommandant, während bob ein volles Glas
wahrhaftig nach Whisky duftenden Gebräus unter die Nase
gehalten wurde. Er trank gierig. Danach war er zu halbwegs
klaren Gedanken fähig und rekapitulierte, was ihm über seine
Situation bekannt war. Das Letzte, woran er sich erinnern
konnte, bevor ihn das Bewußtsein vgerließ, war jenes
eigenartige Kribbeln der Luft im Centralpark. Und was hier
mit ihm geschah, hatte unmittelbar damit zu tun.
Außerirdische? Aber das war absurd! Eine WEile noch wehrte
sich sein logisch arbeitender Verstand gegen diese Annahme.
Wenn er aber die höchst unirdisch wirkende Umgebung in seine
<Überlegungen einbezog, mußte er sich an diesen Gedanken
gewöhnen. Und dazu paßte dann auch wieder der Eindruck, sie
würden durch den Weltraum rasen. "Ganz recht", unterbrach
der Kommandant sein Grübeln und lächelte erneut. "Ihre
Schlußfolgerungen lassen an Logik nichts zu wünschen übrig.
Ich freue mich, endlich einem Wesen zu begegnen, das unserer
Denkweise annähernd nahe kommt." Dabei stand er auf und kam
auf Bob zu. Mit einer überaus irdischen Geste reichte er ihm
die Hand. "Willkommen an Bord ... wie würdet Ihr Erdlinge
sagen? Ach ja. Ich begrüße Sie an Bord der KOMET!"

"He Mann! Wach auf!" Derbe Fäuste bearbeiteten seine Schulter.
Bob hob langsam ein augenlid und spähte vorsichtig umher. Sah
nach Central Parc aus. Und er lag auf einer dieser unbequemen
Bänke. "Pennen verboten. Kostet zehn Dollar." Der Wächter hielt
ihm seine schwielige Hand vor die Nase. Bob brachte sich ächzend
in sitzende Stellung und griff nach seiner Geldbörse. "Ein wenig
zu tief ins Schnapsglas geguckt, wie?" Widerlich, dieses
Pferdezahn-Grinsen. Er drückte dem Hüter der Ordnung einen Schein
in die Hand. "Nun aber ab nach Hause zu Mutti und ins Bett!"
Eindeutige Handbewegung und noch mehr Pferdezähne. "Wenn Sie Ihre
Mutter beschlafen, ist das Ihre Sache. Ich ziehe anderes vor."
Das Mondgesicht des Wächters wechselte von überaus heiter zu
gewitterschwül drohend. Bob machte sich aus dem Staub.

So einiges bekam er nicht ganz auf die Reihe. Vor ... er
beäugte ungläubig seine Armbanduhr ... gut achtundvierzig
Stunden war er hier hineinspaziert, um den Hintergrund eines
Mords zu klären. Dann hatte er einen höchst merkwürdigen
Traum geträumt von Außerirdischen und ihrem Raumschiff. Aber
- war es Traum oder Realität? Kein Schwein würde ihm das
abnehmen. Doch, verdammt noch mal, wo war er denn die
leztten achtundvierzig Stunden gewesen? Die konnte er
unmöglich auf dieser Parkbank zugebracht haben. Amnäsie?
Jessy hatte ihm schon länger mit diesen üblen Folgen des
Saufens gedroht. Nein, das war es nicht. Und den wilden
Parkpenner hatte er auch offensichtlich nicht gespielt. Sein
Anzug würde demensprechend ausssehen. Aber, zum Teufel, wo
hatte er die ganze Zeit gesteckt? Bei vierfingrigen Aliens?
Würde er derartige Geschichten erzählen, wär das die
Eintrittskarte für die Klapsmühle. Und doch war da was dran.
Der merkwürdige junge Mann, der selbst bei dickem Regen
nicht naß wurde, und den er später in dieser Raumschiff-
Umgebung wiedergesehen hatte. Raumschiff? Ein UFO im Central
Parc? Herr Gott noch mal! Das klang alles so hirnrissig, daß
er an seinem eignen Verstand zu zweifeln begann. Und dennoch
... irgendwie paßte alles plötzlich zusammen: James Walker,
der im Central Parc an einer Überdosis Energie starb. Sein
eigenes Abtauchen in Hypnos Reich. Vierfingrige Wesen, die
irgendwelche Experimente mit Erdmenschen anstellten, um sie
zu studieren. Und sein zynischer Kommentar, als man ihm das
alles erklärt hatte: "Für Sie sind wir somit nichts anderes
als Laborratten, bei denen es auf einen weiteren Exitus
schon gar nicht mehr ankommt." Und dann diese kalten
analytischen Augen, mit denen er betrachtet und durchforscht
wurde. "Sie irren sich. Wir achten Sie nicht minder als
unsere eigene Spezies." "Aber weshalb spielenSie dann
leichtfertig mit unserem Leben." "Ein Unfall. Wir hatten
anfangs den Energiefluß zu hart eingestellt." "Und weshalb
das alles?" "Ein Forschungsauftrag der Galaktischen Union."
"Der was?!" "Ein Verbund lebentragender Welten. Man hofft,
auch die Ihrige eines Tages aufnehmen zu können." "Ach ja?"
Er hatte das sarkastisch hingeworfen und die Mundwinkel
herabgezogen. "Nach unseren Testergebnissen sind Sie noch zu
weit von dem nötigen Level entfernt." "Wie tröstlich. Darf
man erfahren, welche Voraussetzungen erforderlich sind?" "Es
wäre zu aufwendig, sie Ihnen aufzulisten. Doch was Ihnen
dazu am meisten mangelt, ist Ihr Wille zur friedlichen
Koexistenz mit Ihresgleichen und anderen Lebewesen." "Gibt
es denn da draußen keine Kriege mehr?" Die Frage blieb
unbeantwortet. Das nächste, war dann sein unsanftes Erwachen
auf der Parkbank.

Er schlenderte noch eine Weile ziellos umher, hoffend, daß
ihm eine glaubwürdige Erklärung für seinen Klienten
einfallen würde. Mit der Story von den Außerirdischen, das
stand fest, durfte er ihm nicht aufwarten. Aber wie hätte
James-Baby denn sonst noch zu Tode kommen können?
Blitzschlag? Quatsch! An dem besagten Tag war weit und breit
kein Gewitter zu sehen gewesen. Verdammt noch eins! Da hatte
er sich ganz schön in die Scheiße gesetzt. Und so rasch
würde er sich daraus nicht erheben können.

Ein paar Drinks waren nun fällig. Der Schankraum war wie
immer proppenvoll. "He Leute, da ist bob." "Bob hierher!"
Arme winkten ihn heran. Ein Stuhl stieß ihn in die
Kniekehlen. Und er setzte sich. "Na, Old Boy, was macht das
Geschäft?" bob winkte ab. "Flaute. Nichts los in der Welt."
Grinsen und Zuprosten. "Aber die Schwuchtel, die man neulich
im Park gefunden hat. Ist raus, woran der süße Kleine
umkam?" "Interessiert mich nicht. An so was soll sich ein
anderer die Pfoten dreckig machen." "Aja, soso. Und woran
schnüffelt man zur Zeit herum?" Bobs Hände und Augen hatten
eine Weile mit dem Anzünden eines Glimmstengels zu tun. Dann
pustete er etliche Wolken zwischen sich und die lästigen
Fragensteller. "so dies und das. Geschäftsgeheimnis."
Augenzwinkern. Kopfnicken. "Verstehe." Dann ein anderer:
"Colin hat was tolles gesehen. He Colin, erzähl mal!" Der
Rotschopf nahm erst einen kräftigenden Schluck, bevor er
sich räusperte: "Glaubt mir ja doch kein Schwein. Aber es
ist wahr." "Nun, raus mit der Sprache. Was hast Du tolles
beobachtet?" Ein weiterer grinste lasziv: "Vielleicht ist
ihm Jocko Ono nackt begegnet." "Maul halten! Last den Jungen
doch erzähjlen." Der räusperte sich nochmals: "Wurde schon
dunkel. Mußte am Central parc vorüber. Kam aus der Highscool
und wollte noch was einkaufen." "Mann, machs nicht so
spannend." "Ja, da hörte ich mit einem mal ein merkwürdiges
lautes Summen." "War sicher ne Handvoll Hornissen. Oder Du
hattest Ohrensausen." "Ne, der hatte Aftersausen." "Halts
Maul jack und laß den Jungen erzählen, sonst erfahren wir es
bis morgen früh nicht mehr." "Auch wurde mir so schwindlig,
daß ich dachte, gleich knall ich hin." "Habt wohl im
Chemieunterricht am Brennspiritus genascht." "Schnauze!
Erzähl weiter, Junge." "Und dann sah ich es." "Was sahst
Du?" "Das Ding. Es stieg langsam über dem Central Parc
hoch." "Ein Ding? Was für ein Ding?" "Weiß nicht. War
ziemlich groß. Fast wie eine riesige Kugel. Schimmerte
merkwürdig, als würde es von innen beleuchtet." Seufzen
ringsum. "Schon wieder einer, der ein UFO gesehen haben
will." "Ja und dann?" "Nichts weiter. Das Ding stieg und
stieg. Wurde immer kleiner und war plötzlich fort." "Der
übliche Quatsch. Fast jeder will heute ein UFO gesehen
haben. Aber es ist noch keiner mit handfesten Beweisen
gekommen." "Ja, laßt uns von was anderem reden. Wer geht
morgen zu dem Spiel? Ich hab noch karten." Bob trank sein
Glas aus. Er hätte einiges sagen und erklären können. Aber
geglaubt hätte ihm niemand.

(Mai 2002)

 



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