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In eigener Sache
General-Anzeiger - Dienstag, 25. März 2003
Kampf gegen die hereinbrechende Finsternis
Der blinde Autor Johannes Weidner beschreibt sein Schicksal in
einem
E-Book.
Die Netzhauterkrankung Retinitis Pigmentosa hat er von seinen Eltern
geerbt
Von Hans D. Rieveler
Heiderhof. Was geht in einem Menschen vor, der allmählich
erblindet? Wie
nimmt er seine Umwelt war, die er bald nicht mehr wird sehen können?
Johannes Weidner hat diese bittere Erfahrung gleich zweimal in seinem
Leben gemacht. Unter dem Pseudonym Hanno Erdwein hat der 57-Jährige
jetzt
ein E-Book darüber veröffentlicht. In dem stark autobiographisch
geprägten
Roman "Voll aufs Auge!" beschreibt Weidner den Kampf seines
Alter Ego Hans
Körner gegen die hereinbrechende Finsternis.
Im Alter von 16 Jahren tritt der Romanheld die "Reise nach innen"
an.
Zugleich beginnt er sich die Welt zu träumen. So beschreibt es
Weidners
Freund Michael Möller, ein Volkshochschuldozent aus Gummersbach,
der seit
August 2002 gemeinsam mit ihm die Website www.literapur.de betreut.
Als
Jugendlicher versuchte Weidner ebenso wie sein Romanheld Hans Körner
die
Welt so intensiv wie möglich zu erleben, so lange er sie noch sehen
konnte, und die Eindrücke im Gedächtnis zu speichern. Das
heißt, vor allem
die Eindrücke von seiner Angebeteten, die im Roman Lilli genannt
wird.
"Die Bilder waren im Kasten und sanken ins Archiv, um sie an dunkleren
Tagen zur Hand zu haben", schreibt Weidner.
Im Lager der Kartonagenfabrik, seinem Arbeitsplatz, sammelt Körner
in der
Wirtschaftswunderzeit ausgiebig sexuelle Erfahrungen. Seine Neigung,
nach
Feierabend an der Blindenschule, an der sein Vater unterrichtet, die
Blindenschrift zu erlernen und sich auf das Leben als Blinder
vorzubereiten, ist dagegen weit weniger ausgeprägt - zum Leidwesen
seiner
Eltern. Weidners Eltern waren ebenso wie die seines Alter Ego selbst
beide
blind. Von ihnen hat er die Netzhauterkrankung Retinitis Pigmentosa
geerbt. "Dabei lagern sich Pigmente auf der Netzhaut ab und zerstören
sie
nach und nach", sagt Weidner. Die Krankheit verläuft meist
schleichend. Es
beginnt in der Regel mit Nachtblindheit, dann lässt das Farbensehen
und
schließlich auch die Sehschärfe nach.
Weidner lebt seit 25 Jahren auf dem Heiderhof, zusammen mit seiner
ebenfalls blinden Frau. Aufgewachsen ist er in Düren, wo er wie
sein Alter
Ego in einer Kartonagenfabrik arbeitete. Hier machte er die Erfahrungen,
die er in dem Roman verarbeitet hat, dem ersten Teil einer Trilogie.
Der
zweite Teil mit dem Arbeitstitel "Also lautet der Beschluß…"
ist bereits
in Arbeit.
Nach seiner Erblindung arbeitete Weidner als Telefonist, "einem
typischen Blindenjob", sagt er. 1969 unterzog er sich einer
Augenoperation. Er bekam ein Retina-Implantat. Danach konnte er wieder
sehen, wenn auch nur mit einem sogenannten "Tunnelblick".
Wie schon als Jugendlicher ließ Weidner sich nicht davon abhalten,
ausgiebig zu lesen und seine Augen damit zu belasten. Dann kam noch
ein Grauer Star hinzu,
und seit etwa zehn Jahren ist Weidner wieder vollständig erblindet.
Wegen
einer seltenen Stoffwechselkrankheit ist seine Mobilität zudem
stark
eingeschränkt. Schon seit 1976 kann er nicht mehr arbeiten.
Doch von alldem lässt er sich nicht unterkriegen. Mittels eines
speziellen
Spracheingabe- und Ausgabesystems für Blinde schreibt er seine
Texte am
Computer. Bislang hatte er nur Gedichte und kleinere Texte in
Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Neben Autobiographischem
sind auch Science-Fiction-Geschichten darunter.
Vor 15 Jahren hat er seinen Schriftstellerkollegen Michael Möller
kennen
gelernt, in einer Autorenliste im Fido-Net, einem Vorläufer des
Internet.
Auf ihrer Website Veröffentlichen die beiden neben eigenen Texten
auch
Rezensionen sowie Erzählungen, Gedichte und Satiren bekannter Autoren,
teils als Textfassung, teils auch aus Rundfunkmitschnitten im MP3-Format.
Außerdem gibt es ein kleines Antiquariat. Auf www.literapur.de
kann man
das E-Book von "Hanno Erdwein" für fünf Euro erstehen.
März 2003
Hanno Erdwein
Der ARD-Hörbuchabend auf der Leipziger Buchmesse 2003
Die Kultur-Rundfunksender der ARD übertrugen am 21. März
2003 die vierstündige Abend-Sendung, die MDR Kultur
anläßlich der Leipziger Buchmesse veranstaltete. Das
Programm war zwar gedrängt voll mit Hörbuchinformationen und
hatte auch namhafte Sprecher als Gäste. Alles in allem wurde
jedoch ein ernsthaft an Literatur interessierter Hörer
enttäuscht. Was Ohrenschmaus hätte sein sollen, kam daher
wie eine schwafelnde Talkshow. Damit wurde man weder dem
Thema noch den hochkarätigen Vorlesern gerecht.
Was mir gefiel:
- Die Hommage an Gert Westphal, der am 10. November 2002
verstarb. Vielen ist seine charakteristische Stimme noch im
Ohr, wie er Thomas Mann und Theodor Fontane interpretiert.
- Hannelore Hoger. Sie las Johann Peter Hebels "Unglück der
Stadt
Leiden". Angesichts der Bombardierung irakischer Städte sicher
ein gekonnt vorgetragener Text, der einem schon einen Schauder
über den Rücken laufen läßt.
- Hans Korte. Er las aus Skarmetas "Brennende Ungeduld".
Ein
Sprecher und ein Text, wo der Hörer regelrecht mitgerissen wird.
Hans Korte ist bekannt und beliebt als Bühnendarsteller,
Hörspielstimme und Interpret zahlreicher Hörbücher. Bei
Skarmetas
Text greift er wieder tief in die stimmliche Trickkiste, dem
Hörer ein bis unter die Haut gehendes Erlebnis zu
vermitteln. Dieses Buch steht schon auf meiner Wunschliste.
- Harry Rowohlt. Er krönte den Abend mit heftigen Attacken auf
das
Zwerchfell. Locker holt er im Dahinstreifen durch
den literarischen Alltag die Stimmen bekannter Autoren und
Kritiker aus sich raus und erntet eine Lachsalve nach der
anderen. Das war wahrlich ein rechtes Betthupferl für den Schluß
der Sendung gegen Mitternacht.
Natürlich wären da noch Ecos "Baudolino" und Melvilles
"Moby
Dick", beide Werke als vorzügliche Hörspiel-Mehrteiler
vorliegend, zu erwähnen. Aber die werden bereits von
Rundfunkanstalt zu Rundfunkanstalt gereicht und
ausgestrahlt. Sind sehr zu empfehlen als Beweis, daß auch
eine komprimierte Hörspieladaption dem Werk keinen Abbruch
tun muß.
Was mir mißfiel:
- Die Art, wie der Abend aufgezogen wurde. Ich bin weiß Gott
kein
Verfechter steifer Stehkragensendungen, wenn es um Literatur
geht. Aber man sollte sich davor hüten, einen derartigen Klamauk
zu veranstalten, wie das diesmal der Fall war.
- Hörkules. Nichts gegen Saint-Exupéry und "Der kleine
Prinz",
von Ulrich Mühe auch lebendig vorgetragen.
Aber - mal im Ernst - gäbe es nicht aktuellere Werke? Wäre
zum
Beispiel Walter Moers "Die dreizehneinhalb Leben des Käpt'n
Blaubär", von einem kongenialen Leser wie Dirk Bach dargeboten,
nicht passender für den Hörkules gewesen?
- Bibel. Die Übertragung der Bücher der Thora mit Texten
aus der
Luther-Bibel zu vergleichen war meiner Meinung nach ein
Fehlgriff. Martin Buber und Franz Rosenzweig hatten einen ganz
anderen Ansatz, als sie die Bücher aus dem Hebräischen ins
Deutsche übertrugen. Ihnen war darum zu tun, etwas vom Ursprung
des Originals spüren zu lassen. Das kommt natürlich nicht
so
geschliffen und poetisch daher wie bei Martin Luther. Somit
absolut nicht vergleichbar. Ich schätze die Stimmen von Rolf
Boysen und Thomas Holtzmann, die mir den Buber/Rosenzweig-Text in
seiner Kantigkeit und schwerblütigen Weise darbieten, sehr!
- Rätsel. Was haben sich die Veranstalter denn dabei
gedacht, in einer Hörbuchsendung als Preisrätsel nach
Politikern und Fußball- Ereignissen zu fragen? Traut man den
Hörern draußen am Rundfunk und den Teilnehmern im Sendesaal
keine
literarische Sachkenntnis mehr zu? Ich fand das äußerst
merkwürdig und abgeschmackt!
- Musik. Die 17 Hippies als musikalische Einlage haben mich auch
nicht gerade vom Stuhl gerissen. Das waren die Pausen, um mal
Getränkenachschub zu holen oder die Blase zu erleichtern.
Es gäb sicher noch das eine oder andere zu motzen. Will es aber
dabei belassen und hoffen, daß für das Frühjahr 2004
die
Veranstalter des ARD-Hörbuchabends mit einem besseren Konzept auf
Sendung gehen.
Bonn, 22. März 2003
Ausgabe Februar 2003
Lesen mit dem Skalpell?
Da stehen sie alle: Die Bücher, die einst gefangennahmen,
fesselten, weiterbrachten. Die Reißer und die Klassiker. In Reih
und Glied warten sie auf den geneigten Leser. Geneigt, weil er den Kopf
verdreht, um die Rückentitel zu entziffern. Er greift zu, der Leser,
liest, und ist für Stunden weggetreten.
Weil das so wunderbar ist, sammeln wir Bücher und
werfen sie nicht weg. Doch was ist, wenn die Sehkraft uns verlässt?
Dann wird die Reihe der Bücher zur Phalanx, die gegen uns angetreten
ist. Wehmut macht sich breit, Wermut vielleicht sogar.
Das muss nicht sein.
Seit der Erfindung von Scanner und Lesesoftware können
Sie sich die Kosten für den Vorlese-Mietling sparen. Sie legen
einfach den "Kleinen Prinzen" auf den Scanner und blättern
ein paarmal weiter, dann lassen Sie sich die so entstandenen Datei zum
Beispiel über die Sprachausgabe vortragen, mit einer Stimme Ihrer
Wahl. Geschickte Leserinnen und Leser schaffen das auch ohne Augenlicht.
Doch was ist, wenn der kleine Prinz größer
wird? Wenn Sie die Geschichten aus 1001 Nacht nachlesen wollen? Sechs
Bände in der Dünndruckausgabe, je 700 Seiten? Da werden Sie
schnell zum sehr geneigten Leser, der vor lauter Scannerei
seinen Rücken nicht mehr gerade biegen kann.
Hier hilft Justus Schneider. Er scannt für Sie, auch
die Geschichten aus 1002 Nächten, wenn Sie wollen. Er schneidet
die Bücher auseinander, die Sie nicht mehr lesen können, und
dann schickt er sie durch seinen Powerscanner. Bearbeitet die Dateien
und macht sich auf Fehlersuche. Und Sie können das Produkt auf
CD oder als Mail bekommen und in Ruhe lesen!
Das kostet Sie pro Seite 3 Cent. Ein Buch zerschnibbelt
Schneider für 1 Euro, schickt Ihnen das Ganze für 2 €
Porto oder umsonst, wenn Sie es als Mail bestellen.
Man muss sich nur zu helfen wissen.
Mehr Info, auch über den Zeitschriften- und Magazin-Service,
finden Sie auf Schneiders Seite:
http://www.blindenkiosk.de
Oder mailen
Sie ihn an!
(c) Simon Croll, Februar 2003
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