Hanno Erdwein
Heiß und kalt
Wind pfiff. Kälte biß. Ihr Schlenkergang
kam die Straße herabgestöckelt. Windfäuste zausten den
Rotschopf. Und das Haar brannte um ihren kleinen Kopf. So flammte sie
mir entgegen. "Ah, Du hast auf mich gewartet?" Ich hatte sie
abgepaßt, ihren täglichen Weg erkundet, mich statt nochmal
im Bett herumzudrehen zeitig auf die Socken gemacht. Und da stand ich
mit frostroten Wangen - oder war es Verlegenheit - und zwinkerte ihr
entgegen.
Ihre kleine kalte Hand schlüpfte zu mir. Ich
wärmte sie an der meinen in der Jackentasche. So schlenderten wir
durch den dunklen, froststarren Morgen. Spärlich beleuchtet die
Bergstraße.
Finsternis zwischen zwei gelben Funzeln. Sterne zeigten
sich, blinzelten, winkten, klirrten im frostigen Himmel. Ich spürte
Lilly schaudern. Schlang meinen Arm um ihre Schulter und drückte
sie fester an mich. Aber so ließ sich schlecht gehen. Wir hielten
an. Finster wars und nahe der Park. Wenige Schritte und wir standen
von Büschen umgeben, suchten die Wärme des andern, imdem wir
uns aneinander preßten. "Nicht! Du Schlimmer!" Ich überhörte
die halbe Lüge. Lillys Leib kam meinen Händen warm entgegen.
Auch ihre Hände suchten und fanden Wärme. Nicht lange, da
kam es Doing-Doing-Doing. Der Kirchturm bronzte die Dreiviertelstunde.
"Nun müssen wir aber ..", erschrak
sie und rückte die Kleidung zurecht. Auch ich schloß meine
Hose, griff rasch ihren Korb, damit sie nicht fortlief und ließ
Lilly bei mir einhaken. Das wirkte recht bider. Wir hätten ein
altgedientes Ehepaar abgegeben, wenn Lilly nicht diesen Monroe-Hüftschwung
draufgehabt hätte. Bei jedem Wackelschritt streifte sie meinen
Oberschenkel. Trotz der Kälte kribbelte es meine Lenden hinauf.
Und ihr schrägender Blick verriet zu genau, wohin das zielte. Wär
Zeit genug, ich hätte sie hinter das nächste Gebüsch
gezerrt und es ihr gegeben. Verdammtes Aas!
Reichlich Kälte für sieben Winter! Anfang
Februar kam auch noch Schnee hinzu. Kinder nutzten die wenig befahrene
Bergstraße als Schlitterbahn. Noch vor wenigen Jahren war ich
dabei und zog meinen Schlitten immer wieder den Hang hinauf, um den
Fahrtwind beim Hinabsausen zu spüren. Und auch für den Bau
des Schneemanns, der Jahr für Jahr den Eingang zum Park zierte,
hatte ich manche Kugel gerollt. Ich grüßte den Weißrock.
"Na, Alter Knabe. So kalt und einsam?" Er nickte unmerklich.
Man hatte seinen Kopf nicht allzu fest aufgesetzt. "Jemand sollte
Dir eine Schneefrau bauen. Dann könntet Ihr Euch gegenseitig wärmen."
Ungläubig glitzerten seine Kohleaugen und die Möhrennase wurde
um eine Schatierung blasser. "Wärme?", schien er zweifelnd
zu fragen, "bei Dir piepsts wohl!" Nun ja, man kann es nicht
allen recht machen.
Lillies Hände krochen noch manchen Morgen in meine
Tasche. Und unterwegs gab es Gelegenheit genug, meine Zungenspitze ihren
Mund erkunden zu lassen. Der Schneekerl saß breitärschig
auf seinen Ballen und sah uns zu. Mir schien, daß ihm unsere Hitze
nicht gut bekam. Täglich sank er mehr in sich zusammen. Die Nase
rutschte nach vorn und lag bald auf seiner Brust. Der Hut glitt ihm
über die Augen. Gut so. Dann sah er auch nicht, wie dreist ich
Lillies Wärmezonen erforschte.
(c) HE - Kapitel 2 aus "Voll auf's Auge"
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