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Hanno Erdwein

Baskenmütze

- Romanauszug -

Vater, ich seh ihn noch vor mir. Mittelgroß. Mehr hager als
schlank, fast schon von zierlichem Knochenbau. Trug alltags
gern alte Sachen, um die guten zu schonen. So die damalige
Erziehung zur Sparsamkeit. Daher der schäbige Mantel, die
fadenscheinige Jacke und der von Klebpflaster
zusammengehaltene Hut.
"So kannst du doch nicht mehr
herumlaufen." Mutter war entsetzt, als ihr eine Nachbarin
das Äußere ihres Gatten schilderte.
"Ab sofort ziehst du dich besser an. Und wir kaufen für gut
neue Sachen."
"Aber die Sachen sind doch noch ganz", wehrte sich Vater,
dem die vermeintliche Verschwendung gegen den Strich ging.
Mutter überging den Einwand und verbot ihm, den häßlichen
Hut noch einen Tag länger anzuziehen.
"Der sitzt doch so bequem", jammerte mein alter Herr und
drückte das scheußliche Stück wie eine Reliquie an sich.
"Du hast dem weichen Filzhut."
"Das gute Stück im Alltag verschleißen", jammerte Vater, der
unter solcher Prasserei körperlich litt.
"Unsinn, der ist auch schon fünf Jahre alt und du hast ihn
kaum getragen."
"Eben. Viel zu schade für jedes Dreckwetter."
Mutter seufzte angestrengt:
"Na gut. Dann kaufen wir dir für solche Tage eine
Baskenmütze."
Vater verzog schmerzlich den Mund. Nicht, weil er etwas
gegen Baskenmützen einzuwenden hatte. Ihm paßte die in
seinen blinden Augen unnötige Ausgabe ganz und gar nicht.

Mutters neuster Fimmel waren nun mal diese Franzosendeckel.
Frau Schladerer, die schon erwähnte Nachbarin, war daran
schuld. Lang und breit hatte die sich über das schmucke
Aussehen der belgischen Besatzungs-Soldaten ausgelassen und
wie vorteilhaft denen gerade die Baskenmütze stünde. Seitdem
lag uns Mama mit dieser dämlichen Mütze in den Ohren.
"So eine Kopfbedeckung ist doch schmuck und praktisch",
verkündete sie zu jeder Gelegenheit, wo wir für ihre
Episteln greifbar waren. "Ist Leicht, nimmt in der Tasche
nicht viel Platz weg. Und wenn es anfängt zu regnen, zieht
man sie elegant hervor."

Wir konnten und mochten das einfach nicht mehr hören. Vater,
weil er immer noch seinem ollen Hut nachtrauerte und ich -
nun, für so einen platten Deckel auf dem Kopf mit
Blitzableiter- Würmchen mußte man schon die entsprechende
Schädelform haben. Einen Belgier, einen Franzosen und
vielleicht auch einen Schweitzer würde das Ding nicht
sonderlich entstellen. Aber auf vaters und meinen Schädel
gehörte dieses gallische UFO absolut nicht hin. Ich konnte
mir schon das dämliche Gefeixe vorstellen, wenn ich mit
Baskenmütze bei meinen Kameraden auftauchen würde. Und an
die Mädels durfte ich erst recht nicht denken. Mutter sollte
uns gefälligst damit in Ruhe lassen. Aber genau das tat sie
nicht.

Sie kaufte die Mistdinger und zog sie uns gewaltsam über den
Scheitel. Wir waren empört.
"Mußte das sein", knurrte Vater.
Ich hielt dem Mund, weil man gegen Mutter ohnehin nie ankam.
"Nun tragt die Mützen. Sie sind kleidsam." Das war ganz Mutter.

Meine Mütze verschwand zu unterst in meiner Aktentasche. Ich
benutzte sie als Polster für besonders empfindliche Sachen
wie Schallplatten. Vater trug seine ein paar Tage.

Einmal sah ich ihn am Arm des wiederlichen Kuglers über den
Parkweg daherkommen. In seiner Unwissenheit hatte Vater die
Mütze so aufgesetzt, daß das helle Schweißband wie ein Rand
um seine Stirn lief. Das sah natürlich verboten aus. Kugler
- damals noch Leiter der Bürstenmacherei - war ein zynischer
Hund. Statt Vater hinsichtlich der Mütze einen Tip zu geben,
genoß er sichtlich den grotesken Anblick und zwinkerte mir
auch noch zu. Hätte dem Dreckskerl mit Wonne in die Eier
treten mögen. Ich mußte meinem alten Herrn erklären, wie man
den Pfeifendeckel richtig aufzusetzen hatte. Vater stopfte
das Ding erst mal gekränkt in die Tasche. Später traf ich
ihn. Und da hatte er - nicht etwa die Baskenmütze auf -
nein, seinen x-mal geflickten Hut. Den mußte er vor mutters
Vernichtung gerettet an einem verborgenen Ort verwahrt
haben. Gern hätte ich ihn davon überzeugt, daß dieser Hut
noch bescheuerter auf seinem Schädel Prangte als die Mütze.
Aber das gelang mir nicht.

Klar hatte die geschwätzige Nachbarin die Auferstehung des
Hutes erspäht und das Mutter hinterbracht. Das gab daheim
ein mittelschweres Erdbeben. Vater ging und knallte die
Zimmertür. Mutter ging und knallte sie ebenfalls. Und weil
aller guten Dinge drei sein sollten, knallte ich sie auch
noch einmal, als ich ging, um mir das Hirn mit ein paar Pils
freizuspülen.

(c) HE aus "Also lautet der Beschluß" Juni 2003

 



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