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Alex Palme

Band 1

Kapitel 2

 

Ruß- und Aschenfahrt


Züge rollen wieder nach Westen. Der Krieg ist vorbei. Man zählt die Häupter seiner Lieben. Es sind deren nicht mehr allzu viele. Zerlumpte, ausgemergelte Gestalten starren hungrig aus den Abteilfenstern, Soldaten, an deren oft genug verkrüppelten Leibern die Uniform scheuchenartig herumschlottern. Da und dort sieht man Frauen mit Kindern an der Hand die Wagen abgehen. Der Vater, der Bruder, der älteste Sohn ist nicht dabei. Da heißt es weiter warten, hoffen und beten. Und dann ein freudiger Aufschrei. Gerenne. Flüche, weil über Füße gestolpert wird. Eine Wagentür springt auf, eine Gestalt entlassend, die unter normalen Verhältnissen einem jungen Mann gehört hätte, jetzt aber eher einen gebeugt dahinkriechenden Greis darstellt. Nichts desto weniger wird das Wesen umhalst und ans Herz gedrückt. Der Bruder, der Bräutigam, der Sohn, bereits tot geglaubt, ist zurückgekehrt. Das gibt Hoffnung. Das bringt Licht in ein mit Trümmern, Leichen und Gräbern allzu reich versehenen Land.

Auch die Evakuierten kehren zurück. Was werden sie vorfinden? Viel gibt es da nicht zu hoffen. Wenn wenigstens ein paar Verwandte ...! Man wird abwarten und sehen.

Gleich hinter Lok und Kohlentender sind Käthe, Matthias und der kleine Palme untergebracht. Es ist ein offener Güterwagen. Mehr Luxus können sie sich nicht leisten. Doch die Sommersonne wärmt und mildert das Unbequeme der Fahrt. Der Schornstein vor ihnen speit fettigen Rauch und Ruß. Und wenn der Heizer Kohle nachlegt und Asche wegschaufelt, bekommen die Fahrgäste reichlich davon mit. Käthe lächelt auf ihren Jungen herab: "Da haben wir doch wahrhaftig ein Negerkind." Matthias zieht unmutig die Stirn in Falten. Lächelt aber dann ebenfalls.

Die Fahrt geht lange durch ebenes Heideland. Der Blick ermüdet rasch an dem immer gleichen Bild, das nur ab und an durch bescheidene Grüppchen von Schafen aufgelockert wird. Allmählich wird es hügliger, bergiger. Vertrautes rückt in den Vordergrund. Erste Stationen tragen Ortsnamen, die Erinnerung anklingen lassen. Aber das Auge erkennt nur wenig Vertrautes. Trümmer. Und dazwischen mal der Umriß eines Gebäudes, das noch halbwegs den Namen verdient. Je weiter sie nach Westen, Südwesten gelangen, um so deprimierender gerät das Panorama. Am schlimmsten hat es die größeren Städte getroffen, die Konzentration von Industrie und Kommerz. Wie soll da je wieder Leben gedeihen? Kaum vorstellbar, daß Menschen hier wohnen und arbeiten wollen. Und doch wuselt es bereits zwischen den Trümmern. Man sieht hohlwangige Gestalten mit Schaufeln, Handkarren und Werkzeug in den Ruinen hantieren. Wo nehmen sie nur den Mut, die Energie her? Käthe schüttelt verwundert den Kopf und wischt wiederholt über das rußverschmierte Gesicht ihres Kleinen. Der beginnt zu schreien und verlangt nach der Brust. Die Augen des Vaters werden weich und wässrig. Ja, solch ein Kind lohnt schon die Hoffnung, den Einsatz! Er will arbeiten, was das Zeug hält und ihnen allen eine Zukunft schaffen.

 



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