Marc Twain
Bummel durch Europa
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Ob Marc Twains witzige und abenteuerliche Bücher
heute noch so verschlungen werden wie noch vor fünfzig Jahren?
Ich wage es zu bezweifeln. Tom Sawyer und Huckleberry Finn sind erfolgreich
durch Harry Potter und Frodo Beutlin ersetzt worden. Da muß schon
einer recht nostalgisch drauf sein und so ein Werkchen auf dem antiquarischen
Krabbeltisch in die Hand bekommen, um zu entdecken, daß Marc Twain
auch heute noch durchaus lesenswert ist.
Vor allem ist es seine verschmitzte Schreibe, sein
mehr oder weniger hintergründig daherkommender Humor, der die Lektüre
würzt.
Wer Twain als Jugendbuch-Autor versteht, sieht ihn
völlig falsch. Sein Anliegen war es stets, die Schwächen der
Gesellschaft auf die spitze Feder zu nehmen und sie dem Leser mundgerecht
zu servieren. Was ihm auch vollauf gelungen ist. Vieles davon gilt heute
immer noch oder schon wieder. Da braucht man sich gar nicht weit aus
dem Fenster zu lehnen, um Twain bestätigt zu finden.
Ich hab mir vor kurzem sein überaus unterhaltsames
Buch "Bummel durch Europa" wieder einmal gegönnt. In
diesem leichtfüßigen Text befaßt er sich vor allem
mit uns Deutschen und unseren Helvetischen Nachbarn. Zwar liegt das,
was er dort beschreibt, gut 120 Jahre zurück und man trug hierzulande
noch den wilhelminischen Schnäuzer. Aber manches von dem oft willkürlich
Überzeichneten hat durchaus Wiedererkennungswert.
Twain spart nicht an grotesken Szenen, an Münchhausen´schen
Bravourstücken und Eulenspiegeleien. Aber gerade diese Seite macht
das Buch so liebenswert. Er hat diese Reisen auch tatsächlich unternommen
- zwar nicht mit seinem Buch-Begleiter Harries, sondern mit seiner Familie.
Somit greift er die Geschehnisse nicht aus dem Blauen.
Ich denke, man kann sich gerade in einer unwirtlichen
Winterzeit mit dieser Lektüre überaus vergnüglich unterhalten.
Der Kamin flackert und verbreitet gemütliche Wärme. Im heißen
Tee knistert der Kandis. Dazu geht man mit Marc Twain, dem liebenswürdigen
Amerikaner, auf einen Europabummel. Ob man ihn mit dem Buch in der Hand
oder (noch bequemer) via Hörbuch unternimmt, ist Geschmackssache.
Jedenfalls gibt es eine recht moderne Übersetzung, die den Staub
früherer Jahre abgeschüttelt hat.
Ich wünsche gute Unterhaltung!
(c) 5. Februar 2003 - Hanno Erdwein
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