www.literapur.de
lesen

Hauptseite

Prosaisches

Hörbar

Lyra

Buchfink- das einzige Bild hier. Er empfiehlt gute Lektüre!
Gemeiner Buchfink
Rezensionen

Wettbewerbe

Magazin

Online-Lesung

Newsletter - Abo!

Forum

Literapur-Wiki

Die Autoren 

Impressum

 
Gästebuch

Antiquariat

Webmaster
Hanno Erdwein
Simon Croll

Links

In Partnerschaft mit Amazon.de 

Erasmus Schöfer:


Zwielicht


Die Kinder des Sisyfos
Zeitroman
Dittrich Verlag 2004

593 Seiten

ISBN 3-920862-58-9

Die siebziger Jahre sind in Schöfers "Zeitroman" gut aufgehoben. Das Buch ist ein Archiv der Kämpfe und Zitterpartien dieser Jahre. Geschrieben von einem Archivar, der offenbar abgetaucht ist in die Zettelkästen, Flugblattsammlungen und Gesprächsprotokolle dieser Zeit. Der all das verwertet, was die Apo-Opas und Omas auf den Dachboden verbannt haben. Wer in dieses Zwielicht lesend eindringen will, kann das an der Hand dieses dickleibigen Zeitreiseführers tun. (Weshalb einige Kollegen das Buch gleich in den Schulkanon drücken wollen. Damit die Jugend Anschauungsmaterial habe!)

Das Buch ist (dennoch!) lesbar, weil es Geschichten erzählt.

Da ist Armin Kolenda, die Hauptfigur des Romans, mit linker Normkarriere: Sozialarbeiter in einem katholischen Jugendzentrum, gefeuert, weil er angeblich Straftaten der Klienten gedeckt hat. Schließlich bestraft, weil zwei Drogentürken sich auf seine Kosten freikaufen.

Er gerät ans Schreiben für ein linkes Blatt. Damit hat der Roman genug Möglichkeiten, Tagesereignisse zu schildern. Erinnern Sie sich noch an die Begeisterung, mit der Sie einmal Betriebsübernahmen durch die Werktätigen begrüßt haben? Ich z.B. fand faszinierend, wie das bei Rosenthal oder Porst losging. (Was ist daraus geworden, eigentlich?) Im Buch ist es die Glashütte Süßmuth, Hessen 1971. Der Schreibende, Mitleidende und Mithoffende berichtet, wie es war, was gelang, was schiefging. Schöfer macht das unsentimental, dokumentarisch. Wohlwollend und abgeklärt. Die minutiöse Wiedergabe einer Betriebsversammlung aber ist nicht jedermanns Sache, fürchte ich. Das hören sich - auch im Buch - nur Beteiligte und Begeisterte gern an. Schöfer ist jedoch mit Kolenda eine Figur gelungen, der man zuhören mag, mit der man leidet und sich freut. Da ist vor allem die schlichte und fast schon tragische Liebesgeschichte, die durchs Buch trägt: Von der Glashütte nach Wyhl, wo es gilt, Straßentheater gegen Atomkraft zu machen. Kolenda, getrennt lebender Vater zweier Buben, verliebt sich in Rosalie, engelhafte Bauerntochter. Es ist eine Liebe, wie sie im Buche steht. Woran sie scheitert, sei hier nicht verraten. Der Journalist unterstützt nicht nur basisdemokratische Zellen, er fördert auch den Werkkreis "Literatur der Arbeitswelt" - Sie erinnern sich? Haben vielleicht noch ein Bändchen aus dem FischerVerlag im Reagal? Wollen Sie mal lesen, wie es in den Werkstätten der schreibenden Arbeiter zuging? Knallharte Textarbeit? Bierholen und Kinderkriegen? Wollen Sie wirklich? Na, viel Vergnügen.

Ein Buchmessemitschnitt wird geboten, mit allem Drum & Dran, auch nach Messeschluss dürfen wir dabei sein und Eitelkeiten goutieren. Oder weiterblättern.

Vieles wirkt an diesem Buch montiert. Nervig und den Lesfluss immer wieder hemmend sind die furchtbar originellen Schreibweisen, an denen dem Autor etwas liegen muss. Was nur? Ist es nur "fysische Emfase"? "Kannstu nachlesen."

Ich zitiere nichts mehr davon.

Vielleicht haben Sie Spaß daran, Berühmtheiten noch einmal vorgeführt zu bekommen? Ein Auftritt Wallrafs vielleicht? Ein Kritikerstreit mit Peter Maiwald? Oder gar ein Livemitschnitt eines "Intervjus" mit Schöfer selbst?

Mögen Sie Liebeslyrik? Kolenda schreibt nicht übel!

Das Buch ist kein Bauchladen. Es gibt Klammern, die es zusammenhalten. Aber man kann es als Bauchladen benutzen.

Schöfer macht weiter. Zwielicht ist erst der zweite von vier geplanten Zeitromanen. Ob aus dem Autor ein westdeutscher Balzac wird?

Sie wissen also jetzt, worauf Sie sich einlassen. Wenn Sie Ihre (wahrscheinlich ziemlich verdrängte) linke Vergangenheit interessiert, werden Sie diesem Buch viel abgewinnen. Den Schülern wage ich es nicht zu empfehlen, es sei denn, sie fragen nach dem Leben ihrer Großväter und -mütter.

Wenn Sie nur eine schöne Liebesgeschichte lesen wollen, mailen Sie mir, ich nenne Ihnen die Seitenzahlen. Mehr als hundert werden es nicht sein.

Ein Buch, so recht zu verschenken zur Feier eines Gewerkschaftsjubilars.

© Simon Croll 2004

Was ist Ihnen literapur wert?

 



Site Meter