Chlodwig Poth
Aus dem Leben eines Taugewas
Erinnerungen
Ullstein Verlag 2002, 318 Seiten, Hardcover
Lustig, lustig, dachte der Rezensent, die Verlagsankündigung
lesend. Poth, der alte Zausel! Wird uns urkomische Details aus
seinem wahren und "progressiven Alltag" präsentieren!
- Vorsicht, LeserInnen! Diese "Erinnerungen" - ausdrücklich
keine Autobiographie - zeigen einen nachdenklichen, bisweilen
kämpferischen und oft verzagten Poth. Es ist vor allem die
Schilderung des "Frei"-Schaffenden, der immerzu neue
Einkommensquellen auftun muss und wie dereinst Moses mit dem Stecken
auf den Felsen hämmert, dass es endlich fließe.
Das erzählerische Gerüst dieser Erinnerungen
ist spannungsreich. Der 70-Jährige ist bedroht von zunehmender
Sehschwäche und erzählt ohne falsche Scham von seiner
Panik: Was wird, wenn er nicht mehr zeichnen kann? Nichts mehr
verdient? Das ist die eine Seite. Auf einem anderen Blatt erfährt
man viel von dem Zeichenkünstler, der seine Profession als
Leidenschaft ernst nimmt und sich in seinem Künstlertum ausbildet
bis zur ersehnten Meisterschaft. Gerahmt wird dieser Erzählstrang
von der durchaus wechselvollen Beziehung des Zeichners zum großen
Schöpfer, zu Gott. Und das liest sich durchaus nicht frömmlerisch,
sondern wie eine sehr spröde Liebesgeschichte (mit Trennungen
und Versöhnungen noch und noch). Es ist hier der Allmächtige,
mit dem gerungen und gehadert wird vor dem Hintergrund der befürchteten
Erblindung.
Darüber liegt das Erwartbare: die Geschichte
des Zeichners, seine Ausbildungs-Irr-Wege und die Stationen seines
Berufslebens. Die Nachkriegsjahre leben auf in ihrer Tristesse
und in der spürbaren Freude der Menschen am Improvisieren,
die dann umschlägt in eitel Konsumlust. Höchst amüsant
liest sich Poths ironisches Spiel mit der Künstlerrolle,
das er zu gern treibt. Das ist auch der Teil des Buches, der an
den "alten Poth" erinnert, der wohlgemerkt nicht für
Geld und gute Worte zu den 68-ern gezählt werden will. Ein
Apo-Opa ist er nicht. Zeichner, Karikaturist und Beobachter. Oder
umgekehrt.
Wer zu diesem Buch greift, hat wahrscheinlich
"damals" auch "Pardon" gelesen und erfreut
sich an den Einblicken in den Redaktionsalltag, der wohl durchaus
nicht so lustig war, wie die Figur des Leihbischofs Klamm es die
Lesergemeinde glauben machen konnte. Häme und späte
Rache des Künstlers an den Verlagsleitern und manchem Redaktionsmitglied
werden hier zelebriert. Das musste wohl mal sein. Nicht für
Insider ist der Bericht, wie das gerade dasSchreiben dieses Buches
dem Zeichner geholfen hat, seine Angst, die "fette Kröte",
zu verjagen: "...ich hatte mich, wie weiland der Baron Münchhausen,
eigenhändig aus dem Trübsinnsmorast gezogen." Und
so geht am Ende die Geschichte mit dem "Big Bang", wie
Poth den Schöpfer und sein Werk versteht, noch halbwegs schiedlich-friedlich
aus.
Das Buch sprüht nicht gerade vor Witz und
hat Seiten voller Larmoyanz, die man dem Autor aber gerne zubilligt.
Die Beispiel-Cartoons aus seinen Schaffensperioden sind nicht
sehr zahlreich und können eigentlich nur Erinnerungen aktivieren.
Aber ein ehrliches Buch, wie es scheint. Nicht
therapeutisch gemeint, aber vielleicht heilsam.