Robert Gernhardt:
Letzte Ölung.
Ausgesuchte Satiren 1962 - 1984
Diana Verlag, 587 Seiten, 10,-€
3-453-86375-5
Der Klappentext belehrt uns: "...und doch haftet seinen satirischen
Betrachtungen stets ein kräftiger Hauch von Zeitlosigkeit an..."
Oh wie würde er sich hermachen über solcherlei Reklame: "Kräftiger"
Hauch? Kräftiger Bauch, ja. Haftender Hauch? Haftender Rauch, ja.
Zeitlosigkeit hängt wie gelber Zigarettenrauch in Gernhardts Gardinen.
Ja. Das käme hin.
Doch Häme hin oder her:
Gernhardt selbst "wäre nicht einmal unglücklich darüber",
nennten wir dies Buch "Ausgemusterte Schoten". Vierzig Jahre
hat der allererste Text auf dem Buckel: "Kinder - mal herhören!"
So sollte 1962 ein "zeitgemäßes Lesebuch" überschrieben
sein, in dem vorlaute Rangen über "Gastarbeiter" oder
Zigaretten schwadronieren.
So langweilig wie die Zeitung von gestern?
Für Leser, denen die Namen Wörner oder Amrehm nichts sagen,
ja. Viele Satiren haben wirklich nur nostalgischen Reiz: Mensch, darüber
haben wir uns mal aufgeregt?! Weißte noch? Du, damals haben wir
die Wiedervereinigung für einen revanchistischen Altmännertraum
gehalten! Haha... Oder grusel grusel....
Gernhardt-Fans werden die fast 600 Seiten wegen der Vollständigkeit
schätzen. Nostalgiker lachen sich schlapp über den "jungen
Barzel".
Und die Jugend wundert sich über den Hauch von Zeitlosigkeit,
der Gernhardts Antikriegs-Cartoons anhaftet: "Stell dir vor, es
ist Krieg und keiner geht drauf!"
Alle anderen dürfen hoffen, dass der Autor noch oft zur spitzen
Feder greift und uns über unsere heutigen Barzels lachen macht.
denn jeder hat den Barzel, den er verdient.
Oder Bürzel?
Simon Croll im März 2003
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