Noch reicht die Zeit hin, um den 700-Seiten-Roman
vor Weihnachten zu lesen! Enid Lambert, 75, wünscht sich
mit aller Energie, dass sie ein letztes Mal das Fest der Liebe
mit Mann und drei Nachkommen im eigenen Haus feiern kann. Man
verrät nicht zu viel: Es gibt schließlich das ersehnte
Ereignis unter Anwesenheit der wichtigsten Abkömmlinge. Die
eigentliche Spannung liegt in der gnadenlos nüchternen Entfaltung
der Lebens-Irr-Wege von Enid, ihrem Mann Alfred, den Söhnen
Chip und Gary und Tochter Denise.
Frantzen zieht seine Leser scheinbar mühelos
in den Bann, indem er sich durchaus der probaten Mittel bedient,
um Sensationsgier und Schaulust zu bedienen: Sexuelle Neigungen
und Verirrungen werden ebenso dargelegt wie finanzielle Desaster
oder Kochkünste der besonderen Art. Das braucht ein Roman
vielleicht heute, aber das erklärt das Leseabenteuer nur
zum kleineren Teil.
"Sie war 75 Jahre alt, und sie würde einiges
in ihrem Leben ändern." Das ist ein guter letzter Satz in
einem Familien-Entwicklungsroman. Nach vielen Seiten, vielen Jahren
zermürbender Suche und gegenseitiger Fesselungen ist Enid
Witwe geworden. Alfred ist im Pflegeheim gestorben. Alfred, der
"Löwe" noch im Alter, hatte versucht, seinem Leben ein würdigeres
Ende zu setzen, doch er endet so erbärmlich, dass die Beschreibung
seiner Demenz und Inkontinenz zur Qual für den Leser wird.
Leitmotiv und Motiv tiefsten Leides wird für
Gary, Chip und Denise, Fehlhaltungen dem Leben gegenüber,
die sie geerbt und gelernt haben, zu "korrigieren": Der "Versager"
will den Erfolg zwingen. Die "Angepaßten" probieren lebensgefährliche
Seilkünste aus und stürzen regelmäßig ab.
Als Netz wirkt schließlich seltsamerweise gerade das, was
alle überwinden wollten: die morschen, bis zum Zerreißen
gespannten Familienbande.
Also, bei allem Spiel mit den Gelüsten
der Leser, ein Buch aus dem Leben. Man liest es mit Staunen, aber
immer auch mit dem Gefühl, diese labyrinthischen Wege selbst
schon einmal gegangen zu sein oder aber jemanden zu kennen, der
sich ähnlich dämlich durchs Leben schlängelt.
Der Buchfink rät: Lesen, wenn man mindestens
35 ist!
In jeder Sparte gibts maximal fünf Sternchen:
Unterhaltung: ****
Ästhetischer Genuss: **
Spannung: ****
Gebrauchswert fürs Leben: ****
Preis/Leistung: ****