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Friedrich Christian Delius

Mein Jahr als Mörder

Roman, Rowohlt Berlin 2004, 301 Seiten

ISBN 3 87134 458 3

„Meine Geschichte setzt eben da grade an, dass es einen nicht loslässt, dass meine Figur sagt: Was wird mit diesem Rehse? Kann man so etwas aushalten, dass jemand mit so vielen Todesurteilen auf dem Buckel neben uns lebt? Was kann man da tun? Das bündelt die ganze Geschichte und das treibt sie voran.“ (Friedrich Christian Delius/ Buchautor)

So findet Delius seinen Ich-Erzähler, der in den 60er Jahren miterleben muss, wie der Nazi-Richter Rehse von aller Schuld freigesprochen wird. Den Erzähler empört dieses Urteil, zumal Rehse den Vater seines besten Freundes unters Fallbeil geschickt hat, den Arzt, Widerstandskämpfer und Rudolf-Heß-Leibdoktor Georg Groscurth.

Mitten im kalten Krieg der Sechziger hört der Erzähler eine Stimme aus dem Radio im amerikanischen Sektor Berlins (RIAS), die ihm befiehlt, Richter Rehse zu töten. Erzählebene 1 ist damit fundiert: Wird er es tun?

Auf Ebene 2, 1933 bis 1945, hilft Groscurth mit seiner Frau und der winzigen Gruppe "Europäische Union" einigen Juden und bereitet den Untergang des Nazireiches vor - bescheiden und umsichtig. Delius erzählt diese Passagen detailreich und einigermaßen spannend, wenn auch das Dokumentarische dem Erzähler immer wieder ein Beinchen stellt. - Die 50er mit ihrem OstWestKrampf zerreiben Groscurths Witwe, da sie sich nicht klar auf die Seite der Antikommunisten stellt, sondern u.a. ihren Lebensunterhalt in Ostteil ( man denke!) Berlins verdient und sich von Robert Havemann in durchaus missverständliche Angelegenheiten ziehen lässt, die ihr im Westen die Aberkennung ihrer Entschädigung als Opfer des NS-Regimes einbringen. Frau Groscurth kämpft in vielen Prozessen gegen diese Entscheidung an. Wird sie Recht bekommen?

Parallel sinniert der Erzähler über seine immer militanter werdenen Kommilitonen und seine eigene, eher distanzierte Rolle bei der Weltrevolution- wäre da nicht der Mordauftrag. Und ein Buch über Anneliese Groscurth soll auch geschrieben werden. Umfangreiche Recherchen werden nötig und ihre Ergebnisse fließen zahlreich in das Buch ein, das Delius jetzt veröffentlicht hat.

Wer sich gruselnd erinnern will an die Zeiten, in denen jedes Lebensäußerung "politisch" zu sein hatte, liegt mit der Lektüre richtig. Ein wenig Geduld ist schon aufzubringen, wenn man der andauernden Empörung dieses Ich folgen will, aber Zweifel an der politischen Korrektheit der Frau G. will sich der Rezensent nicht gestatten.

Und der Mord? Überlegen Sie selbst: Ist es 2004 in diesem unserem Lande denkbar, dass ein Mann wie Delius eine Protagonisten zum Attentäter werden lässt?

Der Buchfink meint: Ein Schwarzbuch Beh-Ärr-Deh.

 

 



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