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Klaus Berger:
Jesus
ISBN 3-629-00812-7
Kein Untertitel, der die Sache einschränkte. Einfach
"Jesus". Klaus Berger hat eine Summa vorgelegt. Auch wenn
in den nächsten Tagen weitere Arbeiten von ihm erscheinen sollten,
so ist ein solches Jesus-Buch für den Neutestamentler nicht mehr
zu überbieten.
Die Summe seiner Arbeit an der Schrift auf 700 Seiten?
Ja und nein. Tatsächlich geht in dieses Werk all das ein, was
Berger und viele andere erforscht haben. Aber nein: Es ist kein Thelogenausbildungswälzer
daraus geworden, sondern ein sehr persönliches und engagiertes
Buch, das sich ausrücklich an Laien richtet. Wenn es denn mal zu
theologisch wird, erklärt der Autor immer, was gemeint ist. Der
Leser spürt, dass hier jemand schreibt, der von Jesus bewegt wird
und der als Wissenschaftler und Mensch immer auf dem Weg zu diesem Jesus
war und ist. Etwas von dieser Begeisterung überträgt sich
durchs gedruckte Wort, zumal oft durchscheint, dass es kein Buchwissen
ist, das ausgebreitet wird, sondern Erfahrenes, durch mancherlei Stürme
des Lebens Geprüftes.
Das Buch ist dennoch sperrig wie sein Gegenstand, widerständig
wie sein Autor, der keinem Streit aus dem Weg geht.
Berger nutzt die Gunst der Stunde. Ein "postmodernes Jesusbuch"
habe er geschrieben, bekennt er, und man meint ihn schmunzeln zu sehen.
Aus dem Zustand der Nachmoderne leitet er mit entwaffnender Chuzpe für
sich die Erlaubnis ab, zweihundert Jahre "vernünftige Theologie"
zu bestreiten und noch einmal, ein paar Minuten vor Lessing, anzufangen.
So kann er sich Faszinierendes leisten: Eine Absage an christliche
Beliebigkeitsprophetie. Eine Abrechnung mit der "Entmythologisierung":
Wer sagt denn, dass unser venünftelndes Weltbild das letzte Wort
haben muss? Im Zuge solch inkorrekter Denkweise setzt Berger mit großem
Ernst den Wunderglauben wieder in sein angestammtes Recht, rehabilitiert
die Volksfrömmigkeit und die Hierarchie der Männer in der
katholischen Kirche und holt das Christentum aus der Kuschelecke. Er
führt den Leser so nah an den Katholizismus heran, dass er einem
bekennenden Protestanten sympathisch wird - selbst wenn er provokativ
die Versuche des ökumenischen Abendmahls als "verfrüht"
bestreitet.
Berger wäre gerne Priester geworden und erzählt freimütig
von seiner katholischen Sozialisation, die nichts anderes denkbar werden
ließ. Und oft wird sichtbar, dass er das Mönchtum für
die eigentliche Lebensweise hält - verheiratet wie er ist. Seine
Dissertation gefiel den Kirchenoberen nicht, so dass an ein Priesteramt
nicht zu denken war. Als Wissenschaftler pflügt er nun den Acker
der Schrift, um ihren Schatz zu heben. Und er hebt, ohne Scheu und ohne
Scheuklappen.
Was die Gemüter erregen könnte: Er nimmt die Dämonen,
selbst den Oberdämon Teufel ernst, weil er an die Kraft der Bilder
glaubt, die hier spürbar ist. Psychologisierungen bekämpft
er heftig. Lieber ist ihm ein demütiger Blick auch auf die dunklen
Seiten Gottes, als dass er ihn verniedlicht oder ins warme Innere verlegt.
Sola scriptura!
Überdies: Für Berger geht es immer "um Leben oder Tod".
Glauben ist existenziell, der Erlösung steht die Verdammnis immer
noch gegenüber. Erlösung in der Annahme von Gottes Liebe,
Verdammnis in ihrer bewussten Verweigerung. Wobei die Hölle gesehen
wird als Spiegel, in dem der Täter gezeigt bekommt, was er anderen
antut - damit er von seinem Tun ablasse.
Ach ja: Ablasse - Bergers Kirche ist die römisch-katholische. Und
sie ist in seinen Augen die allein seligmachende - auch wenn er das
so nicht sagt. Er möchte mit dem selbstbewussten Beharren auf seinem
Glauben den Dialog mit den konkurrierenden Religionen aufnehmen. Er
fürchtet, dass ein schwammiges Gefühls-Christentum dem Ansturum
des Islam nicht gewachsen ist, weil dessen gelebte Frömmigkeit
bis jetzt einfach stärker sei. (Ein Gegenmittel gewünscht?
Das Stundengebet wieder entdecken!)
"Schöne" Themen sind auch Jesu Stellung zum Geld und
zur Anlage von Vermögen. Oder sein Umgang mit Frauen. Oder: Was
taugt Jesus als Lehrer der Lebenskunst?
Neben solchen "modernen" Themen stehen klare Aussagen zur
Leid-Thematik oder zum Tod und seiner Überwindung. Ein Stichwortregister
erschließt das Ganze, aber ich habe das Buch von vorn bis hinten
begeistert durchgelesen, wie ein verständliches Lebenswerk eben.
Dabei stört (selten) die ein oder andere Wiederholung von offenbaren
Lieblingsthemen des Heidelberger Professors.
Nein, hier wird kein Fundamentalismus gepredigt. Mit Berger kann man
keine Kreuzzüge beginnen. Aber man kann sich bei ihm besinnen auf
Gott.
Der Buchfink meint: Unbedingt lesen!
(c) Simon Croll 2004
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