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Klaus Berger:


Jesus


704 Seiten, Pattloch Verlag 2004

ISBN 3-629-00812-7

Kein Untertitel, der die Sache einschränkte. Einfach "Jesus". Klaus Berger hat eine Summa vorgelegt. Auch wenn in den nächsten Tagen weitere Arbeiten von ihm erscheinen sollten, so ist ein solches Jesus-Buch für den Neutestamentler nicht mehr zu überbieten.

Die Summe seiner Arbeit an der Schrift auf 700 Seiten?

Ja und nein. Tatsächlich geht in dieses Werk all das ein, was Berger und viele andere erforscht haben. Aber nein: Es ist kein Thelogenausbildungswälzer daraus geworden, sondern ein sehr persönliches und engagiertes Buch, das sich ausrücklich an Laien richtet. Wenn es denn mal zu theologisch wird, erklärt der Autor immer, was gemeint ist. Der Leser spürt, dass hier jemand schreibt, der von Jesus bewegt wird und der als Wissenschaftler und Mensch immer auf dem Weg zu diesem Jesus war und ist. Etwas von dieser Begeisterung überträgt sich durchs gedruckte Wort, zumal oft durchscheint, dass es kein Buchwissen ist, das ausgebreitet wird, sondern Erfahrenes, durch mancherlei Stürme des Lebens Geprüftes.

Das Buch ist dennoch sperrig wie sein Gegenstand, widerständig wie sein Autor, der keinem Streit aus dem Weg geht.
Berger nutzt die Gunst der Stunde. Ein "postmodernes Jesusbuch" habe er geschrieben, bekennt er, und man meint ihn schmunzeln zu sehen. Aus dem Zustand der Nachmoderne leitet er mit entwaffnender Chuzpe für sich die Erlaubnis ab, zweihundert Jahre "vernünftige Theologie" zu bestreiten und noch einmal, ein paar Minuten vor Lessing, anzufangen.

So kann er sich Faszinierendes leisten: Eine Absage an christliche Beliebigkeitsprophetie. Eine Abrechnung mit der "Entmythologisierung": Wer sagt denn, dass unser venünftelndes Weltbild das letzte Wort haben muss? Im Zuge solch inkorrekter Denkweise setzt Berger mit großem Ernst den Wunderglauben wieder in sein angestammtes Recht, rehabilitiert die Volksfrömmigkeit und die Hierarchie der Männer in der katholischen Kirche und holt das Christentum aus der Kuschelecke. Er führt den Leser so nah an den Katholizismus heran, dass er einem bekennenden Protestanten sympathisch wird - selbst wenn er provokativ die Versuche des ökumenischen Abendmahls als "verfrüht" bestreitet.

Berger wäre gerne Priester geworden und erzählt freimütig von seiner katholischen Sozialisation, die nichts anderes denkbar werden ließ. Und oft wird sichtbar, dass er das Mönchtum für die eigentliche Lebensweise hält - verheiratet wie er ist. Seine Dissertation gefiel den Kirchenoberen nicht, so dass an ein Priesteramt nicht zu denken war. Als Wissenschaftler pflügt er nun den Acker der Schrift, um ihren Schatz zu heben. Und er hebt, ohne Scheu und ohne Scheuklappen.

Was die Gemüter erregen könnte: Er nimmt die Dämonen, selbst den Oberdämon Teufel ernst, weil er an die Kraft der Bilder glaubt, die hier spürbar ist. Psychologisierungen bekämpft er heftig. Lieber ist ihm ein demütiger Blick auch auf die dunklen Seiten Gottes, als dass er ihn verniedlicht oder ins warme Innere verlegt. Sola scriptura!
Überdies: Für Berger geht es immer "um Leben oder Tod". Glauben ist existenziell, der Erlösung steht die Verdammnis immer noch gegenüber. Erlösung in der Annahme von Gottes Liebe, Verdammnis in ihrer bewussten Verweigerung. Wobei die Hölle gesehen wird als Spiegel, in dem der Täter gezeigt bekommt, was er anderen antut - damit er von seinem Tun ablasse.
Ach ja: Ablasse - Bergers Kirche ist die römisch-katholische. Und sie ist in seinen Augen die allein seligmachende - auch wenn er das so nicht sagt. Er möchte mit dem selbstbewussten Beharren auf seinem Glauben den Dialog mit den konkurrierenden Religionen aufnehmen. Er fürchtet, dass ein schwammiges Gefühls-Christentum dem Ansturum des Islam nicht gewachsen ist, weil dessen gelebte Frömmigkeit bis jetzt einfach stärker sei. (Ein Gegenmittel gewünscht? Das Stundengebet wieder entdecken!)

"Schöne" Themen sind auch Jesu Stellung zum Geld und zur Anlage von Vermögen. Oder sein Umgang mit Frauen. Oder: Was taugt Jesus als Lehrer der Lebenskunst?

Neben solchen "modernen" Themen stehen klare Aussagen zur Leid-Thematik oder zum Tod und seiner Überwindung. Ein Stichwortregister erschließt das Ganze, aber ich habe das Buch von vorn bis hinten begeistert durchgelesen, wie ein verständliches Lebenswerk eben. Dabei stört (selten) die ein oder andere Wiederholung von offenbaren Lieblingsthemen des Heidelberger Professors.

Nein, hier wird kein Fundamentalismus gepredigt. Mit Berger kann man keine Kreuzzüge beginnen. Aber man kann sich bei ihm besinnen auf Gott.

Der Buchfink meint: Unbedingt lesen!

(c) Simon Croll 2004

 



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