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Eine Schachtel Streichhölzer


Roman, Rowohlt Verlag 2004, 150 Seiten, ISBN 3-498-00627-4

Emmet lektoriert medizinische Fachliteratur und ist Frühaufsteher. Sein Beruf ist für den Roman nicht wichtig, seine kurzen Nächte sind entscheidend. Denn in der Herrgottsfrühe steht der Ich-Erzähler auf, notiert die genaue Uhrzeit und wünscht sich oder uns einen guten Morgen.

Dreiunddreißigmal steht er so auf. Eine ganze Schachtel Streichhölzer brennt er ab, schön ein Hölzchen nach dem anderen. Jeden Morgen macht er Feuer im Kamin, wenn seine Lieben noch schlafen.


Meistens isst er einen Apfel und kocht sich Kaffee. Im Dunkeln, wenn möglich - wenn er alles Nötige finden kann. Wenn nicht, scheppert's und flucht's.


Das ist auch schon alles an äußerer Handlung. Wem das nicht genügt, lese Grisham.
Kaminmeditationen zur Herrgottsfrühe, aber keineswegs klösterlich. Das Flammenspiel setzt Assoziationen in Gang, weckt Erinnerungen, beflügelt Phantasien und Ängste. Emmet ist Enddreißiger und hat viel Muße, zwei Kinder und eine absolut unaufdringliche Gattin, eine Bart, der immer grauer wird, und eine Ente in der Hütte vorm Haus, die friert.


Seine Betrachtungen sind sehr persönlich und detailverliebt bis zur Besessenheit. Wer ähnlich mußebegnadet ist und eine vergleichbar zurückhaltende Familie hat, mag das genießen. Aber immer nur ein, zwei Hölzchen abbrennen! Sonst weckt es Widerstand, da bin ich sicher. Die Geschichterln sind selten komisch oder existenziell bedeutungsschwer. Oft penetrant: Eine Seite über eine Seife und ihre haptischen Qualitäten? Zehn Seiten über die verschiedenen Anzündqualitäten der Materialien aus Emmets Altpapierkiste? Was brennt wie? Wie lange?


Der Leser ist geneigt, sich infrage stellen zu lassen. Da koche ich seit Jahren Kaffee und habe noch nie das Geräusch beschrieben, das die alte Filtertüte macht, wenn sie in den Kompost fällt (könnten Sie's?).

Oder jenes, das entsteht, wenn man im Dunkeln eine Filtertüte entsorgt, im irrigen Glauben, sie enthalte abgebrühte Kaffeepulverreste, wo doch frisches (!) Pulver drin ist?! Klingt doch ganz anders - aber das ist es schon zum Abfall gepurzelt.
Wie leichtfertig gehen wir mit unserem Alltag um? Wie unbesonnen?!


Und so teile ich Ihnen mit, dass meine Fingerspitzen jetzt ganz weich auf die Tasten stoßen, denn ich habe die Tastatur letzte Woche mit einem Essigreiniger und Küchentüchern geputzt. Den Reiniger hatte Marlene aus dem Edeka mitgebracht, letztes Jahr. Sie hatte sich beklagt, dass sie die Buchstaben auf den Tasten nicht lesen könne, wenn sie an meinem Rechner saß und bei Ebay schöne Sachen suchte.

Eigentlich sind es nur die Spitzen meiner Zeigefinger, die dieses neuartige Gefühl melden. Ich schreibe achtfingerblind, müssen Sie wissen. Und unsere Meerschweinchen zittern auch manchmal.

Simon Croll 2004

 



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