Enzensberger, Hans Magnus,
Schriftsteller, *Kaufbeuren 11.11.
1929; studierte Germanistik und Philosophie, war zeitweise Rundfunkredakteur
und Lektor; lebte einige Zeit in Norwegen, längere Zeit
in Berlin, seit 1980 in München. 1968 abgebrochene Gastdozentur
in den USA (Connecticut) und anschließender Kubaaufenthalt.
Enzensbergers Werk hat die deutsche Literatur seit den 60er-Jahren
mitgeprägt. Er trat zunächst als dezidiert zeitkritischer
Lyriker hervor; in den Bänden »verteidigung der wölfe«
(1957) und »landessprache« (1960) ist eine scharfe
Zeitbeobachtung bestimmend, die mit modernen Stilmitteln arbeitet:
mit verfremdender Verbindung von Gegensätzen, Veränderungen
des Wortmaterials, parodistischer Verwendung von Zitaten und
Ähnlichem. Daneben standen bald vorwiegend politisch, besonders
auch medienkritisch engagierte Essays (»Einzelheiten«,
2Teile, 196264; »Deutschland, Deutschland unter anderm«,
1967) und eine umfangreiche Herausgebertätigkeit (u.a.
»Museum der modernen Poesie«, 1960). 1965 gründete
er die Zeitschrift »Kursbuch« (Herausgeber bis 1975),
1980 die Zeitschrift »TransAtlantik« (Herausgeber
bis 1982), seit 1985 ist er Herausgeber der Reihe »Die
Andere Bibliothek«. Die politischen Unruhen in Berlin
(West) 1967 markierten in Enzensbergers Schaffen eine Zäsur,
er forderte nun vom Schriftsteller die Mitwirkung an der »politischen
Alphabetisierung Deutschlands«. Enzensbergers eigener
Beitrag dazu umfasst die dokumentar-literarischen Arbeiten »Das
Verhör von Habana« (1970), »Freisprüche,
Revolutionäre vor Gericht« (1970; Herausgeber) und
den Roman »Der kurze Sommer der Anarchie. Buenaventura
Durrutis Leben und Tod« (1972). Seit den 70er-Jahren zeigt
sich Enzensbergers geschichtsphilosophischer Skeptizismus immer
deutlicher, so in dem Gedichtzyklus »Mausoleum. 37 Balladen
aus der Geschichte des Fortschritts« (1975), in dem Versepos
»Der Untergang der Titanic« (1978) und in den Gedichten
des Bandes »Die Furie des Verschwindens« (1980),
gesellschaftspolitisches Engagement wird zugunsten einer pragmatischen
Haltung aufgegeben (Essays »Ach, Europa! Wahrnehmungen
aus 7 Ländern«, 1987; »Mittelmaß und
Wahn«, 1988). Gleichzeitig wird die Form schlichter, die
Sprache alltäglicher. Die Lyrik der 90er-Jahre dokumentiert
den reifen Dichter, der aus der Fülle seiner Kenntnisse
und Erfahrungen heraus den Leser zu faszinieren versteht (»Zukunftsmusik«,
1991). Enzensberger ist auch Hörspielautor (u.a. »Nacht
über Dublin«, Uraufführung 1961; »Taube
Ohren«, 1971, »Böhmen am Meer«, 1988)
und hat bedeutende Verdienste als Übersetzer und Herausgeber
von Lyrik aus der ganzen Welt (u.a. W.C. Williams, W.H. Auden,
E.Lear, O.Paz, C.Vallejo, P.Neruda). 1963 erhielt er den Georg-Büchner-Preis.
[zurück]
|