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DIE WELT VON MOON-WATCHER

Evolution

1) Charles Darwin in einem posthumen Gemälde von 1883, zwei Jahre nach seinem Tod. Vorlage war eine Photographie. Zu seinen Lebzeiten musste er einigen Hohn und Spott ertragen. Karikaturen aus bedeutenden englischen Medien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: 2) "Bin ich ein Mensch und ein Bruder?" Die Vorstellung man könnte mit Affen verwandt sein ist selbst heute noch für viele Menschen unerträglich. 3) Darwin als Affe der eine Frau belästigt. Evolutionstheorie als kulturelle Bedrohung, könnte man doch damit niedere Triebe und Instinkte beim Menschen entschuldigen und der Unmoral Tür und Tor öffnen. 4) Was wenn ein Gorilla als Verwandter nun seinen Platz in der Gesellschaft beansprucht?   Durch die neueren Ergebnisse der Forschung mit Menschenaffen wurde 100 Jahre später gerade dies zur Diskussion gestellt. Wissenschftler die seit den 1980ern Menschenrechte für Menschenaffen forderten wurden ausgegrenzt. Schimpansen die sich selbst die Taubstummensprache beibrachten wurden umgebracht. 5) Die Evolutionstheorie in praktischer Veranschaulichung. Von Meerestieren zum Menschen. Der Zeichner war intelligent und hat Darwins Grundidee offenbar verstanden. Dennoch schmäht er ihn, in dem er ihn in Unterwäsche darstellt. Die Kombination von subtielen emotionalen Unterstellungen gemischt mit falschen Interpretationen und erfundenen Fakten ist noch heute Stil der Evolutionsgegner.

Der Mensch stammt von einem Vorfahren ab der so anders war, das er nicht als Mensch bezeichnet werden konnte. Die Anpassung an die Umgebung führte zu einer natürlichen Selektion der am besten angepasstesten Individuen. Diese Grundideen der Evolution waren bereits Anaximander und anderen Denkern der heidnischen Antike vertraut. In der Spätantike war diese Ansicht so verbreitet das selbst die frühen Kirchenväter wie Augustinus (354-430) oder Gregor von Nizanus (330-389) sie aktzeptierten. Selbst sie gestanden ein, dass zumindest ein Teil der Pflanzen und Tiere nicht von Gott geschaffen sondern sich selbst entwickelt habe.

Für die nächsten 1500 Jahre war es dann aber gefährlich an der Schöpfung aller Tiere und Pflanzen durch Gott zu zweifeln und natürliche, logischere Gedanken zu vertreten. Erst zur Zeit der Aufklärung im 18. Jahrhundert kam der Gedanke der Evolution wieder zu Papier. Erasmus Darwin (1731-1802) und J.-B. Lamarck (1744-1829) waren die ersten die dazu um 1800 ernsthafte wissenschaftliche Abhandlungen verfassten. Darwin wurde in England ignoriert und Lamarcks Gedanken gar als feindlicher Zersetzungsversuch aus Frankreich betrachtet. Man fürchtete in England eine soziale Revolution wie in Frankreich 1789 und sah die fundamentalistische christliche Religion als notwendiges Rückrat der Gesellschaft.

Die Professoren der führenden Universitäten Englands waren damals alle auch Geistliche. Entsprechend eingeschränkt war das vorherschende Denken. Freidenker die dennoch öffentlich für die Evolutionstheorie eintraten wurden aus den Kreisen der besseren Gesellschaft und der Wissenschaften ausgestoßen. Charles Darwin (1809-1881), Enkel von Erasmus, entwickelte seine Evolutionstherorie bereits nach der Kreuzfahrt auf der Beagle 1831, wagte aber bis 1859 nicht sie zu publizieren. Selbst dannach setzte sich, was die Herkunft des Menschen angeht, die Wissenschaft nur allmählich gegen die Religion durch. Innerhalb der Wissenschaft ist die Evolutionstheorie seit dem späten 19. Jahrhundert unumstritten.

Ganz anders sieht es aber in der Öffentlichkeit aus. Der seit Ende der 1970er Jahre zunehmende relgiöse Fundamtentalismus schaffte es das heute zumindest in den USA ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung die Evolutionstheorie ablehnt und an eine bibeltreue Schöpfung des Menschen glaubt. Heute, 2001, vertreten diese Ansicht mehr Menschen als zur Zeit der Dreharbeiten von "2001". Während der wissenschaftliche Kenntnisstand steigt nimmt seine Verbreitung eher ab.


Ausschnitt aus einem modernen kreationistischen Comic des fundamentalistischen Zeichners Jack Chick. Diese Comics sollen vor allem an Kinder und Jugendliche weitergegeben werden, um sie von der "falschen Lehre" der Evolution abzuhalten. In Wirklichkeit lebten demnach Menschen und Dinosaurier gleichzeitig und wurden vor wenigen tausend Jahren aus Lehm gebaut. Der Wortlaut im zweiten Panel, frei übersetzt: "Du meinst, Gott schuf einen prähistorischen Menschen, wie in unseren Lehrbüchern?" - "Nein, Jason! Es gibt nichts 'Prähistorisches'. Dieses Wort ist nur Teil der evolutionistischen Gehirnwäsche."

Moon-Watcher und die Leakeys

1) Richard Leakey, sein Vater Louis und seine Mutter Mary bei der Fossiliensuche im Jahre 1966. Kurz bevor sie Kubrick bei den Dreharbeiten von 2001 in London trafen. Die Haupttätigkeit bei der Suche ist tatsächlich nur das aufmerksame Betrachten des Bodens nach Steinen die von der Form her Knochenbruchstücke sein könnten. Solch konzentriertes Arbeiten in tropischer Hitze mit Wochen ohne Erfolge ist eines der anstrengensten Forscherleben überhaupt. 2) Richard, seine erste Frau Margaret und sein Vater im Motorboot auf dem Omo, der in den Turkanasee mündet.   Entscheidend für den Erfolg der Fossiliensuche ist die Auswahl eines von Geologie und Erosion begünstigten Gebietes. Später wurde von Richard zur Auswahl auch ein Flugzeug benutzt. Hier hat er bereits die Führung, obwohl er zunächst nie seinem Vater nacheifern wollte. 3) Richard Anfang der 70er auf einer eigenen Expedition. Die Leakeys, besonders Richard, waren nicht besonders wohlhabend. Die Expeditionen mussten daher unter eher primitiven Bedingungen durchgeführt werden. Da Richard aber schon als Kind mit dem Leben in der Savanne vertraut gemacht wurde und die Landssprache von klein an sprach war das für ihn kein Problem.

Während der Storyentwicklung las Clarke Louis Leakeys Buch "Adam's Ancestors". Clarke und Kubrick entschieden daraufhin die Geschichte solle mit der Entstehung des Menschen beginnen. Mit dem Übergang vom Tier zum Mensch. Diesen Übergang sahen sie in der Einführung systematischer Kriegführung. Etwa in dem Aliens auftauchen und "unseren pazifistischen Vorfahren Kommando Taktik lehren, damit sie überleben und sich fortpflanzen."

Ganz so simpel wurde Moon-Watchers Geschichte dann nicht. Aber der Grundgedanke blieb erhalten - die Bereitschaft zum töten von Tieren und Artgenossen macht den Menschen aus. Und das wichtigste Werkzeug ist die Waffe. Clark und Kubrick nahmen Kontakt mit Leakey auf und zusammen entwickelten sie in allen Details die Story von Moon-Watcher. Die Fehler die sie dabei machten waren kein Zufall. Nirgendwo sonst beeinflusst das allgemeine Denken einer Zeit die Sicht der Wissenschaft mehr als bei der Geschichte der menschlichen Evolution. Ebenfalls anwesend, aber noch im Schatten seines Vaters, war Richard Leakey. Mit 19 Jahren hatte er gerade seine erste eigene Expedition hinter sich. Er wird bald da weitermachen wo die Generation seines Vaters ihre geistigen Grenzen nicht überwinden konnte.

Leakeys Weg nach Olduvai

Louis Leakey (1903-1972) gilt heute als der bedeutenste Paleoanthropologe des 20. Jahrhunderts. Er begann seine Karriere an der Universität Cambridge. Als er 1931 seinen Professoren dort vorschlug, er wolle die Ursprünge des Menschen in Afrika suchen, da Stand seine Zukunft auf des Messers Schneide. Wie sein Sohn Richard später schrieb wurde er "massiv unter Druck gesetzt, seine Aufmerksamkeit doch lieber auf Asien zu konzentrieren." Dies überraschte umso mehr, als bereits Darwin 1871 die Wiege der Menschheit klar in Afrika sah. Da unsere nächsten Verwandten, Gorillas und Schimpansen, dort leben müßte auch unser gemeinsamer Vorfahre dort gelebt haben. Dies war logisch. Weiterer Argumente wie die Stabilität des Klimas und die Vielfalt der Landschaft vom Regenwald bis zur Wüste hätte es kaum noch bedurft.

1) Der "Piltdown Mensch" ist einer der skandalösesten Fälle von Fälschung in der Wissenschaft. Owohl von Anfang an erhebliche Zweifel an der Echtheit bestanden verweigerte das wissenschaftliche Establishment für über 40 Jahre eine Untersuchung. Man wollte um jeden Preis koloniale und kulturelle Vorurteile vor der Wissenschaft schützen. Eine ganze Generation von Forschern wurde dadurch in die Irre geführt und die Suche nach den Ursprüngen des Menschen gelähmt. Gerade dieses Beispiel zeigt die Brisanz der Paläoanthropologie für das kulturelle Selbstverständnis des Menschen   2) Opfer dieser Verschwörung war besonders Raymond Dart, der 1924 das "Kind von Taung" in Südafrika fand. Der Schädel eines sehr frühen Hominiden, sogar das Gehirn ist versteinert erhalten. Es ist vom Australopithecus afrikanus, älter als Homo aber jünger als "Lucy". Erst als andere Forscher gegen alle Widerstände in Afrika ähnliche Funde machten wurde das Eis gebrochen. 3) Louis Leakey und Raymond Dart im Jahre 1970

Das wissenschaftliche Establishment lehnte diese Gedanken jedoch aus emotionalen Gründen ab: "Das tropische Afrika wurde mit kolonialer Verachtung behandelt. Der dunkle Kontinent schien ihnen nicht geeignet als Ursprungsort für ein so vornehmes Geschöpf wie der Homo Sapiens." Um die Jahrhundertwende noch musste der erste Mensch ein Europäer sein. Nach dem die Deutschen mit dem Neandertaler und dem Homo Heidelbergensis Ansprüche erhoben die älteste Art zu sein, sah man wohl in England eine "Fossilen Lücke". Wie gerufen fand man 1912 in einer Kiesgrube in Südengland den "Piltdown Schädel". Ein Gehirn wie beim modernen Menschen und der Unterkiefer wie beim Orang-Utan. Der erste intelligente Mensch war offensichtlich ein Engländer! Zweifel kamen sofort auf, aber er passte zu schön in die Wunschvorstellungen der Zeit. Louis Leakey wollte seine Zweifel 1933 erhärten, man erlaubte ihm jedoch nicht die originalen Fundstücke zu untersuchen. Glück für Leakey. Denn 1955, nachdem man ihn für Jahrzehnte unter Verschluss gehalten hatte, fand man das der Unterkiefer nicht nur wie beim Orang-Utan aussah sondern auch vom Orang-Utan war. Der "Piltdown Schädel" war eine dreiste Fälschung. Leakey hätte man diese Enthüllung wohl nie verziehen.

Kubrick ließ in der Olduvai Region hunderte Photos machen um Moon-Watchers Lebensraum so realistisch wie möglich zu präsentieren. Im Studio wurde dann mit Montagen und Hintergrundprojektion gearbeitet so dass der Zuschauer auch tatsächlich Olduvai sah. Die Gegend, rechts in einer Aufnahme von Richard Leakey, könnte damals aber etwas grüner als heute gewesen sein.

Louis Leakey, 100% Engländer aber in Kenia geboren und aufgewachsen, schlug die akademische Meinung zu Afrika in den Wind. Er fand bald in Ostafrika 10 bis 20 Millionen Jahre alte gemeinsame Vorfahren von Mensch und Affe. Mit seiner Frau Mary fand er schliesslich durch systematisches Suchen 1959 In der Olduvai (Oldoway) Schlucht im Norden Tanzanias das erste frühmenschliche Fosil Ostafrikas, den Australopithecus (= "Südaffe") boisei, 2.5 Millionen Jahre alt. Leakey setzte für ihn den Namen Homo Habilis durch - der Werkzeug gebrauchende Mensch. Bereits 1924 hatte Raymond Dart durch Zufall im Taung-Kalksteinbruch in Südafrika ein Schädel dieser Art gefunden. Im Gegensatz zu Leakey wurde Dart aber ignoriert und abserviert, das Fossil fälschlicherweisse einem Affen zugeordnet.


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Das Rift Valley 1), ist der südliche Teil einer geologischen Struktur die von der Süd-Türkei, über Israel, die Sinai und das Rote Meer bis ins südliche Afrika reicht. Es ist die Tektonische Bruchzone zwischen der Afrikanischen Platte im Westen, der Arabischen Platte im Nordosten und der Indisch-Australischen Platte im Osten. Das Rote Meer etwa entstand durch die Abdrift der arabischen Platte von Afrika. Das Rift Valley ist Erdbebengebiet und vulkanisch aktiv. Die roten Linien sind lokale Brüche an deren Seiten alte Erdschichten freiwerden. Diese Schichten waren seit Millionen von Jahren bedeckt und werden heute mancherorts durch Regen Zentimeterweise abgeschwemmt. Ausserdem gibt es im Rift Valley viele Seen mit sehr schwankendem Wasserspiegel und schneller sedimentierung was die Bildung von Fossilien sehr begünstigt. Dies alles sind die Fossilen Fundstätten. Man muss nur mit geschultem Auge über den Boden gehen um die versteinerten Knochen zu finden. Die Häufung der Funde im Rift Valley könnte diesen geologischen Ursachen zu verdanken sein. Der Fund eines Australopithecien im Tschad Anfang der 90er deutet aber darauf hin das Frühmenschen über ganz Afrika verbreitet waren. 2) Der Übergang vom Tier zum Mensch war mit den Spezien Homo schon vollendet, sie verwendeten Steinwerkzeuge. 3) Die Australopethicen waren eine Übergangsglied vom Affen zum Menschen.   Sie gingen aufrecht, verwendeten aber noch keine Steinwerkzeuge. Vom äusseren Erscheinungsbild waren sie dem Homo und damit auch dem jetzigen Menschen schon sehr ähnlich. Sie lebten mit den Homo auch über längere Zeiten zusammen. Vom Knochenbau war der Hauptunterschied im Gebiss und im Schädel. Da sie nicht mehr im Wald lebten war die Körperbehaarung meist sehr gering wie beim Homo. 4) Auch viele Australopethicen dürften ausgesehen haben wie diese von Paläoantropologen rekonstruierte Gruppe von Homo Erectus. Es sind auf dem Bild heutige Menschen, nur mit speziellen Gesichtsmasken. 5) Emma Mbua, die nur 1.6 m große Kuratorin der Hominidensammlung des kenianischen Nationalmuseums neben einem Fossilenfund vom Turkanasee. Es ist ein von Richard Leakey 1984 gefundener, 1.5 Millionen Jahre alter noch jugendlicher Homo Erectus von 1.75 m Höhe. 6) Die aüsseren Unterschiede zwischen heutigen Menschen können viel größer sein als zwischen den Frühmenschen, auch was das Gehirnvolumen angeht. Extremer Kleinwuchs von nur 59 cm beim Erwachsenen sind möglich. Das deutlich kleinere Gehirn erlaubt dennoch normale Intelligenz. Joseph Buralowsky war nur 77 cm groß als er 1837 mit 88 Jahren starb. Er war ein überdurchschnittlich intelligenter Pianist der mit 18 Jahren bereits 5 Sprachen berherrschte. Ähnliche Fälle mit IQ bis 178 sind auch aus jüngerer Zeit bekannt. Diese Vergleiche machen deutlich das nicht die Größe des Gehirns sondern nur sein Aufbau und seine Programmierung den Menschen vom Tier unterscheiden.

Louis Leakeys Vermächtnis

Richard, auch in Kenia aufgewachsen und als Kind schon Kishuaheli sprechend, fand seinen ersten fossilen Knochen bereits mit 6 Jahren auf einer Expedition seiner Eltern. Bei seiner eigenen Expedition mit 19 zum Natron See fand er dann sein erstes Australopithecus Fossil. Obwohl er sich lange dagegen streubte entschied er sich nun doch in die Fusstapfen seines Vaters zu treten. Er ging zur Ausbildung nach London. Was nach einem halben Jahr geschah wird von der Encyclopedia Britannica lakonisch umschrieben: "Mit der Zeit verlor er die Geldmittel und das Interesse an Klassenzimmern und kehrte ohne universitäre Ausbildung nach Kenia zurück."

1967 entdeckte er dann bei Koobi Fora am Turkanasee mit bisher 400 Skelettteilen die reichhaltigste Hominidenfundstelle überhaupt. Richard, 1944 geboren, ist heute einer der berühmtesten Paläoanthropologen des 20. Jahrhunderts.

Louis Leakey hinterliess der Wissenschaft aber mehr als seinen Sohn. Er war entscheidend, dass zwei heute weltberühmte Frauen sich der Primatenforschung widmeten. Zum einen Dian Fossey (1932-1985), deren bahnbrechende Forschung mit Berggorillas als "Gorillas im Nebel" sogar verfilmt wurde. Und Jane Goodall (* 1934), die berühmteste Schimpansenforscherin. Sie untersuchte erstmals längere Zeit das Verhalten frei lebender Schimpansengruppen. Sie stellte fest, das diese auch den Mord an Artgenossen kennen. Und das sie einfache Werkzeuge benutzen. Etwa Hammer und Ambos zum Nussknacken, oder Halme zum sammeln von Ameisen. Alles einfach, aber komplizierter als Moon-Watchers Knochen. Wenn Schimpansen diese Eigenschaften bereits haben, dann können sie aber nicht typisch für den Menschen sein. Als 1968 "2001" mit Moon-Watchers Portrait als Killeraffe auf die Leinwand kam war es somit bereits nicht mehr Stand der Wissenschaft. Obwohl er eine überholte Meinung vertrat war dieser Fortschritt auch mit der Verdienst von Louis Leakey.

Das Geheimnis der Leakeys. 1) Richard mit seinem Vater beim Besuch des Tower of London. Rechts seine Mutter Mary und sein älterer Bruder Jonathan. Es war Jonathan der 1961 bei Louis Expedition die ersten Teile des Homo Habilis fand. Das Photo entstand etwa zu der Zeit als Richard mit 6 Jahren bei einer Expedition seines Vaters den ersten eigenen Knochen fand. 2) Richards zweite Frau Meave mit den beiden Töchtern Samira und Louise (rechts) während einer Expedition nach Koobi Fora am Turkanasee Mitte der 70er Jahre.   3) Louise Leakey in einer Sendung von Spiegel TV Anfang 2000. Die Leakeys finanzieren ihre Expeditionen durch gut zahlende Gastwissenschaftler, meist Studenten aus den USA. Louise leitet die Logistik des Camps am Turkanasee. Die gleiche Tätigkeit für die sich bereits ihr Vater Richard zu recht talentiert hielt, 30 Jahre zuvor. Das spielerische Einlernen der Kinder in die Praxis der Paläoanthropologie, von Louis begonnen, trägt mit Louise weitere Früchte.

Der nackte Affe

Moon-Watcher, ein Australopithecus vor etwa 4 Millionen Jahren, wurde als dicht behaarter Affe dargestellt. Im Gegensatz zu den heutigen Affen lebte er aber nicht im Wald. Unter der Sonne Afrikas ist aber ein agieren nur möglich wenn man gut schwitzen kann. Moon-Watcher war deshalb wahrscheinlich kaum oder garnicht behaart. Etwa so wie es Richard Leakey in späteren Büchern darstellte. Vieleicht wurde Kubrick auch zum behaarten Affen gezwungen.

Das prüde Amerika hätte alles andere kaum aktzeptieren können. So kam es in einer Einstellung gar zu einem Kuriosum: für einen Moment ist ein dicht bepelzter Penis sichtbar. So etwas hat die Evolution auf diesem Planeten sicher nie hervorgebracht - und anderswo auch nicht. So nebensächlich dies zunächst auch erscheinen mag, es ist eine Ironie der Geschichte das gerade die Frage des "nackten Affen" den Weg wies für die weitere Erkenntnis über den Ursprung des Menschen. Zunächst zur evolutionären Zoologie, dann zu den Bonobos und dann zur menschlichen Verhaltensforschung.

 

Die Affen von 2001 waren ein Höhepunkt der Kostümtechnik. Angeblich soll es keinen Oscar darfür gegeben haben weil die Jouroren sie für echte Affen hielten. Der zottelige Pelz war jedoch selbst für Wald-Affen unrealistisch, für welche in der Savanne sicher falsch. Nackte Affen hätten aber selbst 1968 die Moralschützer kaum passieren lassen. 1) Moon-Watcher nachts in der Höhle. 2) Die "Erkenntnis Szene", darunter der Schauspieler von Moon-Watcher zu Besuch bei Clarke auf Sri Lanka. 3) Moon-Watcher während einer Drehpause.

Die Denkweise der ausgehenden 60er Jahre wird am besten illustriert durch das Buch "Der nackte Affe" von Desmond Morris. Er war Direktor des Londoner Zoos und erklärte das menschliche Verhalten mit Blick auf das Verhalten unserer Verwandtschaft, der Affen. Sein Buch wurde in 23 Sprachen übersetzt und ein Weltbestseller. Er aktzeptiert noch die Idee vom Killeraffen, sieht es aber als Entgleisung, nicht als Fortschritt der Evolution. Er meint durch aufkommen der Stein-Waffen konnten Agressionshandlungen so schnell vollzogen werden das angeborene Reflexe der Unterwerfung oder Besänftigung nicht mehr wirksam waren. Das biologische Programm des Affen wurde durch Waffen überrumpelt, und daran leiden wir noch heute.

Richard Leakey widerspricht dieser These. Da wir bereits seit 2 Millionen Jahren Steinwerkzeuge benutzen (und Knochen wohl schon länger) hätte die Evolution mehr als genug Zeit gehabt das biologische Programm im Gehirn zu verbessern. Richard bezweifelt ganz einfach die Theorie vom Killeraffen. Morris schrieb in seinem Buch er habe sich vieleicht etwas zu sehr auf die biologistisch/zoologischen Grundlagen des Menschen bezogen. Heute muss man eher konstatieren er habe es nicht genug getan. Aber es war damals gar nicht besser möglich.

Morris zählte 192 behaarte und eine unbehaarte Affenart auf, letztere war der Mensch. Ihm fehlte aber entscheidendes Wissen über eine bestimmte Art unter den 192. Als der Affenforscher Frans de Waal 1997 sein Buch "Bonobos" schrieb bemerkte er im Vorwort: "Bücher und Artikel über andere Menschenaffen füllen eine kleine Bibliothek; für eine vollständige Sammlung von Literatur über Bonobos reicht ein Pappkarton." Und gerade die Bonobos sind es, auf die es ankommt.

1) Lucy ist ca. 3 Millionen Jahre alt und mit 40% das vollständigste Skelett eines Australopithecinen. Sie wurde etwa 20 Jahre alt. 2) In seinem Buch "Bonobos" veröffentlichte Frans de Waal eine Untersuchung von Adrienne Ziehlman. Sie kam bei einer Untersuchung von Lucy zum Ergebnis, das von allen heute lebenden Menschenaffen die Bonobos Lucy anatomisch am ähnlichsten waren. 3) Eine "Bonobofrau" (de Waal) beim Transport von Ingwerblättern. Bonobos können gut aufrecht laufen. Man beachte auch die für einen reinen Waldbewohner geringe Behaarung. Australopithecien in der Savanne waren wahrscheinlich bis auf den Kopf nahezu unbehaart.

Moon-Watcher war Altruist

Was unterscheidet nun uns, und damit Moon-Watcher, von Schimpansen, die ebenfalls Werkzeuge benutzen? Die Sprache wäre nur teileise zu nennen. Schimpansen können zwar aufgrund ihres anderen Kehlkopfes keine Worte artikulieren. In der Gebärdensprache oder mit Symbolen kommen sie aber ganz gut zurecht, etwa auf dem Nivau von Menschenkindern. Viel wesentlicher sind aber die Unterschiede im Sozialverhalten. Schimpansen sind gesellige Tiere, aber sie Teilen ihre Nahrung nicht mit anderen. In diesem Punkt, und wahrscheinlich nicht nur in diesem, sind sie sehr egoistisch. Man kann ihnen zwar anderes Verhalten antrainieren, von sich aus tun sie es aber nie (Leakey 1981). Der Aufrechte Gang ermöglichte es Nahrung über größere Strecken zu transportieren.

Vermutlich war er evolutionär mit dieser Änderung im Sozialverhalten verbunden. Die Frauen konnten wegen der Kinder nur im Umkreis des Lagers sammeln. Die Männer der Aufrechtgeher konnten aber nun weit größere Gebiete zur Nahrungssuche bewältigen. Selbst wenn sie mal erfolglos zurückkamen konnten sie immer noch damit rechnen von den Frauen im Lager versorgt zu werden. Ein solches Verhalten, basierend auf tiefem gegenseitigen Vertrauen, wäre bei Schimpansen undenkbar. Dieser Alltruismus führt aber zur gegenseitigen Absicherung in der Gruppe und erlaubt dem einzelnen auch gewagte Unternehmen. Die Gruppe hat damit ein größeres Aktionsgebiet und bessere Chancen sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Wenn Moon-Watcher ein typisches Werkzeug hatte, so denkt Richards Generation an ein ganz bestimmtes: Ein Behältnis, um den anderen Gruppenmitgliedern mehr mitbringen zu können.

Auch in Zeiten des Mangels mit anderen zu teilen bedeutet für ein Individuum ein gewisses Risiko. Es kann nicht wissen ob sich dieses Verhalten lohnt. Die Frühhominiden, die Australopithecien vor 4 Millionen Jahren waren noch nicht intelligent genug Steinwerkzeuge herzustellen. Ihr altruistisches Verhalten kann also nicht Produkt von Überlegung gewesen sein. Es musste das Resultat einer Instinkt Programmierung sein die eben evolutionäre Vorteile brachte. In einer Nebenszene von 2001 wird die Notwendigkeit extrem altruistischen Verhaltens besonders deutlich. Als ein Leopard Moon-Watchers Gruppe überfällt, sich einen Opfer krallt und die anderen fliehen.

Eine Gruppe mit diesem Verhalten hätte zwar im Regenwald, aber niemals in der Savanne überleben können. Jeden Tag wären Raubkatzen gekommen und hätten sich bedient - bis keiner mehr übrig gewesen wäre. Da die Savanne keinen Schutz bot musste die Gruppe sich selbst gegen Raubtiere schützen. Nur wenn sie ihre Fluchtreaktion unterdrückten und dem angefallenen Opfer zu Hilfe kamen hatten sie eine Chance. Auch wenn danach mehrere Hominiden tödlich verletzt wären - gelang es die Raubkatze zu verletzen wird sie und ihr Rudel keinen weiteren Angriff mehr wagen. Katzen finden in der Savanne immer auch harmlosere Beute. Den Raubtieren diese Lektion klar zu machen war jedes Opfer wert, andernfalls wäre die Gruppe bald ausgelöscht worden. Worauf könnte dieses nun notwendige Verhalten, die Bereitschaft für andere das Leben zu riskieren, basieren? Was ist an uns und unseren Vorfahren anders als an Schimpansen oder anderen Tieren?

Die Antwort liegt nicht in einer Kampftechnik sondern in einem Bereich wo bisher kaum jemand sie vermutete: In der Liebe. Ist dieses komplexe Gefühl aktiv, so ist ein Mensch zu extremstem Altruismus fähig. Nicht nur Selbstaufopferung für die Geliebten, auch Soldaten sind mitunter bereit sich für ihr Land oder Kameraden aus einer Situation heraus zu opfern. Es sind sogar Fälle bekannt in denen es zu Selbstmord kam um das Schicksal des Geliebten zu teilen obwohl dieser nur ein von ferne geliebter Popstar war. Dieses als Liebe umschriebene Gefühl ist sehr vielseitig und muss keineswegs immer mit Sexualität zu tun haben. Aber ein Blick in diese Richtung führt zu einer noch interessanteren Entwicklungsspur.

Moon-Watcher, die Bonobos und wir

Es gibt einen wesentlichen Unterschied den wir Menschen nur noch mit den Bonobos teilen, aber sonst mit keiner anderen Art: Wir haben keine Brunftzeiten. Bei uns und bei Bonobos ist der Sexualtrieb ständig vorhanden und dient daher nicht der Fortpflanzung. Bonobos haben mehrmals am Tage Sex, aber eine geringe Fortpflanzungsrate wie andere Menschenaffen auch. Menschliche Kulturen mit frühen und intensiven Sexualkontakten wie etwa die vorchristliche Antike hatten eine geringere Geburtenrate als die spätere prüde Zeit bis 1900.

Bilder aus dem Bonobo Buch von Frans de Waal. Kein höheres Lebewesen außer dem Menschen hat einen derart intensiven Sexualtrieb wie die mit dem Menschen am engsten verwandten Bonobos. Wie beim Menschen geht er das ganze Jahr über und enthält außer S/M alle Spielarten wie bei ihm auch. Wesentlicher Unterschied zum Menschen ist der offene Umgang mit Sex. Wie hier sichtbar können selbst Kinder zuschauen und teilnehmen - Inzest ist allerdings sehr selten.   Nach Beobachtung eines deutschen Zoologen brauchen Bonobos mindestens 3 bis 4 mal Sex pro Tag. Diese frivole Lebensweise dürfte mit dafür gesorgt haben das die Wissenschaft diese Spezie bis in die 80er Jahre hinein ignorierte. Heute weis man das sie an Intelligenz dem Menschen am nächsten stehen. Nur an Friedfertigkeit und sozialer Kompetenz sind sie dem Menschen und allen Verwandten überlegen.

Bonobos sind Schimpansen äußerlich ähnlich, stellen aber eine eigene Art dar. Bei ihnen ist klar ersichtlich, das der Sexualtrieb den intensiven sozialen Halt in der Gruppe erzeugt und innere Spannungen abbaut. Auch für menschliche Kulturen ist dieser Zusammenhang erwiesen. In den 1960er Jahren wurde das gesammte Anthroplogische Wissen über existierende und vergangene Kulturen, von Niederländern über die Papua bis zu den antiken Römern, in einen IBM Großrechner eingegeben. Dieser suchte daraufhin nach Zusammenhängen in den Daten. Der Ausdruck wurde als Buch mit weit über tausend Seiten verteilt, an der Analyse arbeitet man noch heute.

Es ergab sich, dass Kulturen die ihrere Kinder sehr verwöhnen und sexuell tolerant sind auch deutlich friedlicher sind und höheres künstlerisches Niveau haben. Wie dies mit dem Aufbau des menschlichen Gehirns zusammenhängt enthüllt sich seit den 60er Jahren mehr und mehr. Demnach hat die Haut als Sinnesorgan für die kindliche Entwicklung eine große Bedeutung. So wie das "lausen" bei Affen die sozialen Bindungen stärkt führt früher intensiver Hautkontakt bei Kindern zu sozial kompetenteren Erwachsenen. Der Sexualtrieb, besonders bei Jugendlichen, ist davon nur eine Fortsetzung. In den 90er Jahren gab es dann weitere Hinweise das Sex auch höhere Gehirnfunktionen beeinflußt. Beim Orgasmus werden Teile des Stirnhirns aktiv, das für analytisches Denken und Kreativität verantwortlich ist.

Die Primatenforschung, die Paläoanthroplogie und die Gehirnforschung sind langsam dabei die Evolution der biologischen Grundlagen des menschlichen Verhaltens zu enthüllen. Wir wissen nun schon länger das Moon-Watcher kein Killeraffe war sondern eher das Gegenteil. Ein hoch soziales, altruistisches Wesen. Dieses Verhalten wird nicht genetisch vorgegeben, sondern nur die Veranlagung dazu. Die Veranlagung ein Kind liebevoll zu erziehen und zu verwöhnen. Ob dies geschieht oder nicht entscheidet über die charakterlichen und geistigen Qualitäten des neuen Menschen. Im Jahre 2001 hat der wahre Moon-Watcher uns mehr zu sagen als je zuvor.

Standbilder aus einer verschollenen Szene die nicht in "2001" verwendet wurde. Die Weltsicht der Autoren hatte sich dem kulturellen Geist ihrer Zeit gebeugt. Das `Playboy` Interview mit Kubrick von 1968 war übrigens eines der scharfsinnigsten und informativsten zu "2001" überhaupt.