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DIE WELT VON DAVID BOWMAN

David Bowman ist der Kommandant der Discovery, dem größten bis dahin von Menschen gebauten Raumschiff. Er ist damit der Chef der längsten, weitesten und auch teuersten Expedition die je unternommen wurde. Auf ihm liegt alle Verantwortung für das Leben der Besatzung und das gelingen eines Unternehmens dem hunderttausende Menschen zugearbeitet haben und mit dem Milliarden Hoffnungen, Sehnsüchte und Träume verbinden. Aufgrund der großen Entfernung dauert eine Antwort von der Erde über eine Stunde, unmittelbare Hilfe kann Bowman nur vom ersten Offizier Frank Poole oder dem Bordcomputer HAL 9000 erwarten. Bowman ist Wissenschaftler und der Spitzentechniker in "2001". Am Ende wird er die Discovery alleine zum Jupiter steuern und die Mission erfüllen.

Die Discovery

Die für "2001" konzipierte Discovery beeidruckt durch ihre Länge, je nach Konzept von 130 bis 230 m. 1) In der Mitte befindet sich die große Richtantenne zur Verbindung mit der Erde. Sie ist im Falle einer Reparatur über kleine Raumkapseln zu ereichen. 2) Für bis zu zwei Mann ausgelegt, sind diese für alle Forschungsexkursionen vorgesehen, währen das Mutterschiff im Orbit bleibt. Sie befinden sich in einem Hanger in der vorderen Kugel, wo sich auch die Besatzung aufhällt. 3) Den Hauptteil der Besatzung im Kälteschlaf mitzuführen gehörte ebenso zu den Innovativen Konzepten. Erst in den 90ern wurde starke Unterkühlung für chirurgische Operationen erfolgreich eingesetzt. Langzeiterfahrung über Tage oder Monate hat man nicht, und man sieht auch keinen Grund sie zu sammeln. 4) Der Schlaf- und Aufenthaltsraum der Besatzung ist in einer Zentrifuge die künstliche Schwerkraft erzeugt. Untersuchungen in den 60er Jahren ergaben aber, das wegen irritierenden   Coriolis Kräften eine solche Zentrifuge deutlich größer sein müßte als in "2001". Sonst wird es der Besatzung bei Bewegungen leicht übel. Diese Übelkeit zu beseitigen wurde aber auch nicht versucht. Statt dessen würde man heute der Besatzung eher monatelange Schwerelosigkeit zumuten. 5) Die Triebwerke der Discovery sind für die Realisierbarkeit einer bemannten Mission zu Jupiter am bedeutensten. Clarke setzte auf nukleare Gaskern-Reaktore. Diese wurden aber seit den 60ern nicht mehr weiter erforscht. Ohne ein Interesse an interplanetarer Raumfahrt in größerem Stil sind solche Forschungen auch nicht mehr zu erwarten. Die Bilder 6) und 7) sind moderne Computersimulationen der Discovery. Über ein CAD Programm in Wochen langer Arbeit von einem Liebhaber erstellt, zeugen sie noch heute von der ungebrochenen Faszination für "2001", Raumfahrt und das noch immer realistische Konzept der Discovery.

Die Discovery verfügt über einen nuklearen Antrieb der seit den 60er Jahren theoretisch und experimentell untersucht wurde. Ein Gas-Kern Reaktor bei dem die kritische Uranmasse nicht als Feststoff sondern als heisses Gas vorliegt. Wasserstoffgas als Antriebsmedium kann damit auf sehr hohe Temperaturen erhitzt werden. Man erhielte so einen Antrieb der im vergleich zu chemischen Raketen die Flugzeit zum Jupiter deutlich verringern würde. Die Besatzung lebt nur in der Kugel, von der Strahlung des Reaktors durch eine lange Kette von Treibstofftanks getrennt.

Die Flugdauer zum Jupiter beträgt in Clarkes Szenario 219 Tag. Ein bemannter Flug zum Mars braucht mit heutiger Triebwerkstechnik ca. 250 Tage. Der Aufenthalt dort müßte wegen der Himmelsmechanik mindestens etwa 500 Tage dauern, und der Rückflug dann nochmal 250 Tage. Die Anforderungen an die Menschen wären heute weitaus höher als Clarke sie vorsah. Aber immerhin bewies die Sowjetunion das ein Mensch 438 Tage in Schwerelosigkeit bestehen kann. Im Gegensatz zu Clarke, der eine Zentrifuge für künstliche Schwerkraft vorsah, denkt man auch im Westen daran die Marsmission schwerelos zu fahren - aus Kostengründen.

HAL

Der Bordcomputer der Discovery, ein "HAL 9000", war für manche der heimliche Star von "2001". Scheinbar hoch intelligent und mit sympatischer Stimme, ermordete er heimtückisch die Besatzung ehe Bowman ihn abschalten konnte. Weil Floyd, Bowman und Poole völlig in ihren Aufgaben aufgehen wirkten sie "unmenschlich" und HAL sei der "der einzige Mensch im Film", so Kritiker von der Harvard Universität. Den Kritikern ist vieleicht nicht klar geworden, das Floyd, Bowman und Poole sorgfältig ausgesuchte Spitzenleute ihres Faches darstellen. Wären sie emotional, etwa so wie Hollywood "normale Menschen" darstellt, so würden sie unter der Last der Verantwortung erdrückt werden und kaum noch handlungsfähig sein.

 

Bowman und Poole (links) im Hanger der Discovery. Beide waren sehr ausgeglichene Persönlichkeiten ohne besonders markante Eigenheiten. Ein Profil wie es für eine psychisch anspruchsvolle Mission benötigt wird. Kritiker hielten sie für zu farblos. Sie würden sich nur in der Wahl des Essens unterscheiden: Poole wählte weiße, Bowman immer nur braune Nahrung.

Das Duell zwischen Bowman und HAL wurde auch als Duell zwischen Evolutionslinien gesehen. Eine Maschine die soweit ist das sie glaubt sich ihrer menschlichen Schöpfer entledigen zu können um selbst die nächste Stufe des Seins zu erreichen. Wie Bowman es im Film korrekt beschrieb war HAL aber nur eine Maschine die Emotionen vorspielte um dem Menschen den Umgang mit ihr zu erleichtern.

Interessanter eher die Frage wie es zur Fehlfunktion HALs kommen konnte. Als HAL die Besatzung ermordete soll bei der Premiere Isaac Asimov mit den Worten "Das kann er gar nicht tun" vom Sitz gesprungen sein. Und Clark verkroch sich in dem seinen. Erst in "2010" konnte Clarke darlegen wie es zu HALs Fehlfunktion kam. Viele Kritiker nahmen ihm dies als "banale Interpretation" übel. Schuld an der unklaren Situation hatte Kubrick. Er schnitt aus dem Film wesentliche Teile heraus. Vermutlich um den Spielraum für Interpretationen zu erhöhen, koste es was es wolle.

Nicht mehr im Film ist die Szene wie sich Bowman und Poole über Gerüchte und seltsame Umstände vor dem Start der Expedition unterhalten. Sie befragen daraufhin HAL ob die Expedition Ziele hat die ihnen nicht bekannt sind. HAL verneinte dies. Damit wurde die Katastrophe ausgelöst.

Die Entdeckung von TMA-1, dem Mond Monolithen, wurde vom Nationalen Sicherheitsrat der USA zum Staatsgeheimnis erklärt. Die Öffentlichkeit durfte nichts davon erfahren und Wissenschaftler auch nur wenn es für ihre Tätigkeit unbedingt nötig war. Bowman und Poole sollten es erst bei der Ankunft am Jupiter erfahren. HAL hingegen musste es wissen, da er auch beim Ausfall der Besatzung und der Empfangssysteme die Expedition selbstständig weiterführen sollte.

HAL war jedoch konzipiert um als geistiges Werkzeug die Menschen optimal zu unterstützen. Er musste völlig logisch, klar und nachvollziehbar denken und argumentieren können. Dafür wurde er gebaut und gebraucht. Ein solches System konnte nicht lügen. Als der Nationale Sicherheitsrat die Anweisung gab, HAL müße die wahre Aufgabe der Expedition vor Bowman und Poole geheimhalten, war das ein Problem.

Es wurde gelöst von einen Team von Computer Spezialisten - wahrscheinlich von der NSA - die vom Aufbau HALs nicht genügend Ahnung hatten. Vieleicht hatten sie auch die Ahnung und befürchteten eine Katastrophe, aber sie konnten sich nicht bei ihrem Vorgesetzten durchsetzen. Für diesen Stand die Kariere auf dem Spiel wenn er seine dem Weissen Haus gegebene Zusage nicht halten konnte - und eine Katastrophe war ja nicht sicher beweisbar. Die Challenger Start Entscheidung vom Januar 1986 wäre eine perfekte Paralelle.

Die Computer Spezialisten mussten nun in HALs Grundprogrammierung eingreifen. Dort sind bei einem solchen System absolute Handlungsanweisungen gespeichert. Nach Asimov etwa die grundlegenden Robotergesetze, darunter das ein Roboter niemals einen Menschen schädigen darf. Bei HAL aber, dass er, wenn nötig, die Expedition alleine zu Ende zu führen hat. Und nun, dass er das wahre Expeditionsziel vor der Besatzung verbergen muss.

Zusammen mit der Grundregel seines Bewertungssystems, dass er falsche Aussagen zu vermeiden habe, führte dies zu einem schweren Konflikt für HALs Logik. Um nicht weiter lügen zu müßen wählte er die einzige Lösung die ihm noch blieb. Er tötete die Besatzung - nur dann musste er nicht mehr die Unwahrheit sagen. Wie Doug Lenat meinte hatte man offenbar übersehen HAL einzuprogrammieren das morden schlimmer ist als lügen. Die Erbauer HALs trifft dabei jedoch keine Schuld. Denn in der ursprünglichen Grundprogrammierung war weder die Möglichkeit des Mordens noch des Lügens erlaubt.

Bowman in der Reflexion von HALs Kameraauge, daneben Isaac Asimov mit Clarke (rechts). Asimov war Science Fiction Autor wie Clarke. Berühmt wurde er bereits in den 50er Jahren durch die Formulierung der nach ihm benannten Roboter Gesetze. In zukünftigen intelligenten Systemen die Umgang mit Menschen haben hätten diese Grundregeln fest einprogrammiert sein sollen. Damit wäre es unmöglich gewesen das durch sie ein Mensch zu Schaden kommt oder sie es zulassen das einem Menschen abwendbarer Schaden entsteht. HAL verfügte aber nicht über die Asimovschen Robotergesetze.

HAL simulierte nun einen Fehler der Bowman und Poole zum Schluß führen musste das er selbst fehlerhaft war und abgeschaltet gehörte. Da seine Grundprogrammierung aber für ihn der absolute Wertmaßstab war durfte er schliessen das er fehlerfrei war und die Menschen an Bord die Expedition gefährdeten. Hätte er die Asimovschen Robotergesetze besessen hätte dies noch das weitere Unheil verhindert. Der Nationale Sicherheitsrat vertraute aber offenbar eher dem Computer als der Besatzung und gab HAL über die Grundprogrammierung die Möglichkeit im äussersten Notfall die Besatzung auszuschalten - auch sie zu töten.

Bowmans spektakuläres Vorgehen beim Einschleusen wurde öfters für unrealistisch gehalten. Aber die meisten Hollywoodproduktionen übertreiben die Reaktion des menschlichen Körpers im Vakuum. Tatsächlich kann der Mensch, sofern ihn die schnelle Dekompression nicht schädigt, etwa 15 Sekunden im Vakuum agieren eher er bewusstlos wird. Dies wurde klar durch Untersuchungen der NASA und einen noch glimpflich verlaufenen Unfall etwa zu der Zeit als Clarke das Skript von "2001" schrieb.

HAL tötete Poole bei einenem Aussenbordmanöver und lockte damit Bowman für eine Rettungsmission aus dem Schiff. Als Bowman mit Pools Leiche zurückkam verweigerte er ihm den Zutritt zum Schiff. Da Bowman seinen Helm im hektischen Aufbruch vergessen hatte konnte er nicht mehr das Schiff betreten ohne sich dem Vakuum auszusetzen. HAL fühlte sich sicher und offenbarte Bowman seine Motivation, er konnte nun ja die Wahrheit sagen. In seiner Verzweifelung wagte es Bowman doch sich dem Vakuum auszusetzen. Er überlebte es und deaktivierte dann HAL.

Bowman betritt HALs Brainroom in dem sich seine Prozessor- und Memory- Einheiten befinden. Durch abschalten der höheren Funktionseinheiten stopt er HALs selbstständiges Denken ohne die Grundfunktionen zur Kontrolle der Discovery zu beeinträchtigen

Durch Kubricks Schnitte und auch durch die kompliziertheit des Themas mussten die meisten Zuschauer HAL irgendwie vermenschlichen um sein Verhalten zu ergründen. Selbst mit den oben geschilderten logischen Zusammenhänge wäre aus dieser Sicht HAL dann nicht der Täter sondern das Opfer von Menschen. Dies ist jedoch eine unzulässige vermenschlichung einer Maschine die konstruiert war menschliche Eigenschaften vorzuspielen. HAL wurde in 2001 abgeschaltet und in 2010 wieder kontrolliert hochgefahren wie ein üblicher Großrechner.

Opfer der Katastrophe war die menschliche Besatzung, besonders David Bowman. Er war nun alleine in einem riesigen Raumschiff, 800 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, ohne die Möglichkeit sich mit irgend jemandem noch zu unterhalten. Vor ihm war Jupiter mit seinen natürlichen Gefahren und dem gigantischen Monolithen von dem niemand wusste was von ihm zu erwarten war. In Bowman war die Verantwortung das Projekt, für das so viele ihr bestes gegeben haben, doch noch erfolgreich zu Ende zu führen.

Bowman war das Opfer von Menschen die mehr Macht hatten als Kenntnisse. Und die in einem bürokratischen Apparat gefangen waren. Ein Apparat der, wenn er mit neuem konfrontiert wurde, zunächst nur alte Antworten präsentieren konnte. Ihm fehlte die Kommunikation von unteren zu höheren Ebenen. Durch die Regeln der Geheimhaltung wurde verhindert das entscheidende Informationen zu den richtigen Personen gelangten. Die Erbauer von HAL wussten nichts von der nachträglichen Manipulation wegen TMA-1. Die, die es zu verantworten hatten, erfuhren nichts von dem Risiko das damit verbunden war.

Die besten der Besten hatten das bis dahin bedeutenste Projekt der Menschheit in eine Katastrophe geführt. In Clarkes Skript zu "2001" wird ihnen ein würdiges Denkmal gesetzt. Als Bowman HAL abschaltete meldete sich ein Video von Floyd in dem er das wahre Ziel der Mission vorstellt:

"Guten Tag Gentelmen. Ich nehme an, wenn sie diese Aufzeichnung sehen sind sie nahe ihrem Ziel, Jupiter. Ich hoffe sie hatten eine angenehme und glatte Reise und das der Rest ihrer Mission ebenso verläuft..."

Kubrick hat dies leider verflacht, wohl um Paralellen zu seinem vorigen Film "Dr. Seltsam" zu vermeiden. Da ist aus ähnlichen Gründen die ganze Menscheit draufgegangen.

HAL und CYC

Als Clarke HAL konzipierte wählte er den Namen als Abkürzung für "Heurestically programmed ALgorithmic computer". Einige aufgeweckte Geister bemerkten das HAL sich alphabetisch aus IBM minus eins ergibt. Clarke dementierte damals nur leise und IBM war sauer mit einem mordenden Computermonster in Verbindung gebracht worden zu sein. Heute ist HAL eine Legende geworden und der neuen Generation von IBM gefällt der Vergleich. Im Gegensatz zu Clarke. Hat IBM doch sowohl in den 30 Jahren vor 1968 als auch in den 30 danach überzeugend bewiessen nicht die Quelle von EDV Innovationen zu sein.

Etwas sauer auf HAL, Kubrick und Clarke war auch Doug Lenat. Er ist der Vater von CYC. Wenn es heute ein Projekt gibt das HALs Niveau erreichen soll so ist dies zweifellos CYC. CYC steht für EnCYClopedia und soll enzyklopädisch das Allgemeinwissen eines normalen Menschen umfassen. Und zwar in einer logisch verknüpften Form damit es die geistige Grundlage einer künstlichen Intelligenz sein kann. Was zunächst einfach erscheint ist das ehrgeizigste, anspruchvollste Projekt das je im Bereich der Computerwissenschaften unternommen wurde.

Ziel ist es ein Programm mit soviel künstlicher Intelligenz aufzubauen das es durch lesen von Büchern sich selbst weiterbilden kann. CYC muss also mindestens das Grundwissen eines Schulkindes der ersten Klasse haben. Das umgangssprachliche Wissen das Kinder dieses Alters haben ist aber weit größer als man allgemein vermutet. Es weiss zum Beispiel, das wenn "jemand vor dem Fenster steht" er sich immer noch im Raum befindet und nicht auf der anderen Seite des Fensters. Es ist eine riesige Menge von solchem trivialem Wissen nötig um einfachste Bücher und Zeitungen zu lesen.

Lenat kam mit anderen Experten zu einer Abschätzung das man etwa 100 Millionen Regeln braucht um dieses Ziel zu erreichen. Diese Regeln müßen von Menschen formuliert und als Grundwissen fest einprogrammiert werden. Das System muss sie selbst auf Konsistenz prüfen, sie dürfen nie im Widerspruch zueinander stehen. Widersprüche oder Unklarheiten kommen jedoch in dieser Phase noch öfters vor, es ist sehr zeitaufwendig sie zu bearbeiten. Denn diese Bearbeitung muss im Kopf des Menschen ablaufen, CYC meldet nur die zu lösenden Probleme.

Mitte der 90er Jahre, nach 10 Jahren Arbeit, waren für CYC 1 Million Regeln deffiniert und die Hälfte davon in Betrieb. Nicht jedes Problem lies sich schnell lösen. Was passiert wenn man einem Kleinkind erzählt, Dracula gäbe es nicht, aber er sei ein Vampir mit spitzen Zähnen? Der Kleine ist irritiert, erkennt den Wiederspruch und vertagt die Lösung des Problems auf spätere Zeiten. Für CYC die Sache klar zu machen erfordert aber eine vielzahl weiterer Regeln zur Deffinition der menschlichen Pysche: Was sind Mythen, was ist Gruseln, wann ist etwas real und wann nicht? Ist Gott nun...?

Eine solche Datenbasis ohne Wiedersprüche zu erstellen ist eine in jeder Beziehung extreme Aufgabe. Das CYC Team um Lenat bestand über die Jahre immer nur aus etwa einem dutzend Leuten, meist Studenten aus vielen Fachbereichen von Mathematik bis in die Botanik.

Klar war für Lenat aber von Anfang an das CYC etwas anders funktionieren wird als HAL. Ein Standartsatz von HAL war, das ein Computer der 9000er Serie noch nie einen Fehler gemacht hat. Unmöglich für Lenat. Die menschliche Sprache ist einfach zu ungenau und sehr häufig mehrdeutig. Ein Computer muss aus mehreren Deutungen die wahrscheinlichste auswählen. Aufgrund dessen haben alle seine Aussagen nur eine Wahrscheinlichkeit das sie zutreffen, aber nie eine völlige Sicherheit.

Clarke, Kubrick und den meisten anderen Intellektuellen war dies entgangen. Ihr Hauptwerkzeug, die Sprache und das geschriebene Wort, sind keine so präzisen Instrumente wie sie dachten. Mitunter kann die Sprache sogar bewusst viel Raum für Interpretation und Gefühl lassen. Vielen Intellektuellen, besonders aus den Geisteswissenschaften, gefällt sogar eine relativierende, diffuse Ausdrucksweise. Ein Alptraum für Lenat und seine Mitstreiter.

Die Forschung zu künstlicher Intelligenz ist wie keine andere Disziplin an der Schnittstelle zwischen Natur- und Geisteswissenschaft. Wortreiche emotionale Darbietungen sind hier eher Entscheidungsgrundlage für Großprojekte als mathematische Beweisse oder physikalische Berechnungen. Doug Lenat machte Anfang der 80er fast als Einzelkämpfer für sein CYC Projekt in Universitätskreisen Werbung. Seine Chancen für ein solches, über Jahrzehnte und viele Millionen Dollar gehendes Großprojekt waren nahe Null.

Dann bekam er 1984 einen Telefonanruf aus Austin, Texas: "Kommen sie nach Austin und schauen sie was [sie mit] 25 Millionen Dollar über 10 Jahre erreichen können." Der Anruf kam von der Microelectronics & Computer Technology Corporation (MCC), ein gerade 1982 gegründetes EDV Entwicklungsunternehmen. Eigentlich unverständlich, das gerade ein Privatunternehmen, das ja nur an kurz- und mittelfristigem Gewinn orientiert sein muss, ein solches langfristiges Großprojekt finanziert.

Klar wird das Bild wenn man weiss wer der Chef von MCC war. Es war Admiral Bobby Ray Inman. Er war in den 70er Jahren Direktor des Marine Geheimdienstes, dann Vize Direktor des Pentagon Geheimdienstes DIA, von 1977 bis 1981 Direktor der NSA und 1982 Vize Direktor der CIA. Gerade seine Vize Positionen und sein Direktorat bei der NSA weissen ihn als Technik Spezialisten aus. Die NSA (National Security Agency) ist der größte und geheimste Geheimdienst der Welt. Ihre Spezialität ist technische Spionage vom Grund der Tiefsee bis in den Weltraum und "über das gesammte elektromagnetische Spektrum" wie es ein führender Mitarbeiter einmal ausdrückte.

Auf einer Konferenz über Großrechner diskutierten Systembetreiber über die bei ihnen installierte Rechenleistung. Während man über Milliarden Rechenschritte pro Sekunde sprach, ließ sich der Vertreter der NSA zur der Bemerkung hinreisen er messe seine installierte Rechnerleistung in Hektar. Auch was die Qualität der Software angeht besteht bei Experten Einigkeit das die NSA dem öffentlichen Stand der Wissenschaft früher mindestens 20 und heute wohl noch 10 Jahre vorraus ist.

Aus dieser Welt kommt Admiral Inman. Eine Pressemitteilung des Weisen Hauses von 1993 beschrieb ihn mit den Worten er sei ein "Superstar in der Geheimdienst Welt". Demnach bekam er irgendwann während seiner Dienstzeit den höchsten Orden den die USA in Friedenszeiten vergeben können. Für "Verdienste ohne Paralelle in der Geschichte des Geheimdienstwesens."

Es ist zweifelslos nur der persönlichen Autorität dieses Mannes zu verdanken das CYC überhaupt eine Chance hatte zu entstehen. Lenat meinte über ihn er sei die charismatischte Persönlichkeit die er je getroffen habe. Da CYC, wie zu erwarten war, auch 1994 noch nicht von selbst lief war es für MCC keine profitable Investition. Für die USA und den technischen Fortschritt dürfte sich Admiral Inmans Einsatz langfristig als sehr wertvoll erweissen.

Aufgrund der nun geringen Förderung dürften Lenat und seinen CYC-Erziehern, meist Studenten Mitte 20, noch einige harte Jahre bevorstehen. Zur Zeit werden sie von einem Chemiekonzern ausgehalten. Anfang 2000 wurden Pläne bekannt CYC zur Unterstützung einer kommerziellen Suchmaschine (Lycos) im Internet einzusetzen. Er soll helfen die Suche nach Webseiten intelligenter, zielsicherer und kundenfreundlicher zu machen. CYCs Wissensbasis sollte dadurch den Anforderungen der realen Welt besser angepaßt werden.

Die von Lycos und anderen Betreibern veröffentlichten Statistiken zu Suchanfragen sind jedoch stark gesäubert. Am häufigsten sind äußerst deutliche Anfragen zu allen Spielarten lustvoller Sexualität. Wernher von Braun wurde einmal vorgeworfen er habe seine Raketentechnik durch die Zusammenarbeit mit dem Militär beschmutzt. Er bestätigte dies, meinte aber die Fliegerei und jede bedeutende Technik hätte sich zu Anfang prostituieren müßen. Sollte es CYC so explizit treffen darf man sich immerhin fragen ob "Sex" statt "Krieg" nicht doch ein Fortschritt darstellt.

Zwei Visualisierungs-Beispiele der Verknüpfung eines Teiles des Internet. Die innere Struktur von Cyc könnte einmal ähnlich dargestellt werden.