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Pornographie und Sexualverbrechen in Dänemark

Eine der brennendsten Fragen, die der Psychologe Dr. Berl Kutschinsky vom kriminalistischen Institut der Universität Kopenhagen im Auftrag der »Presidential Commission on Obscenity and Pornography« klären sollte, betraf den dramatischen Rückgang bestimmter Sexualverbrechen in Kopenhagen von 1959 bis 1969. Dabei wurde auch untersucht, ob die Aufhebung des Pornographieverbots ein positiver Einflußfaktor war.

Die folgende Tabelle enthält Auszüge aus Polizeistatistiken für Kopenhagen und betrifft von der Polizei registrierte Sexualverbrechen an weiblichen Personen [BK1, 85]:

Vergehen registriert im Jahr1959196419691959-69
Relativer Rückgang
1958-69
Gesamtzahl der Fälle
Verbrechenabsolutabsolutabsolut%absolut%

Vergewaltigung322027-3093,7
Exhibitionismus24922510458,2261731,6
Voyeurismus99612079,87429,0
Koitus mit Minderjährigen51181962,73804,6
Verbale Unzüchtigkeit45431371,14675,6
sonstiges unzüchtiges Verhalten gegenüber Frauen1371036056,2135316,3
sonstiges unzüchtiges Verhalten gegenüber Mädchen2822048769,1241629,2

insgesamt89567433063,18284100,0

Grafik: Index der Gesamtzahl registrierter heterosexueller Verbrechen in Kopenhagen

Index der Gesamtzahl der von der Polizei registrierten heterosexuellen Verbrechen in Kopenhagen, 1959-69. Index-Nr. 100 = 895 Fälle. [BK1, 86]

Allein die Zahlen lassen kaum den Schluß zu, daß die Pornographie-Freigabe negative Folgen nach sich zog. Tendenzen bei den Vergewaltigungen sind aufgrund der geringen Zahl nur schwer feststellbar, es ist aber wohl zu erwarten, daß, falls die Verfügbarkeit von Pornographie potentiellen Vergewaltigern ein Triebventil böte, eine solche Wirkung erst einige Jahre später sichtbar würde. Ein Triebtäter, der bereit ist, eine Frau zu vergewaltigen, wird sich durch Porno-Bilder kaum beeindrucken lassen. Würden potentielle spätere Vergewaltiger aber schon früh mit Pornographie konfrontiert, könnten sie ihre Triebe möglicherweise entsprechend umlenken.

Die Fragestellung war also: Gab es einen objektiven Rückgang der anderen Sexualverbrechen, oder sank lediglich die Anzeigefrequenz?

Um die Einstellung der Bevölkerung zu Sexualverbrechen zu verifizieren, führte Kutschinsky eine Umfrage mit 198 Männern und 200 Frauen durch, die zu Hause aufgesucht wurden. Die Altersverteilung der Befragten entsprach der Kopenhagener Bevölkerung zwischen 18 und 50 Jahren, die Altersgruppen über 50 Jahre wurden bewußt unterrepräsentiert, Kinder und Jugendliche waren für die Umfrage nicht relevant. Die sozialen Schichten entsprachen denen in ganz Dänemark. [BK1, 89]

Unter anderem wurde auch untersucht, welche Handlungen als eindeutig kriminell gewertet wurden. Da kein Vergleichsmaßstab zu den Jahren vor der Befragung bestand, sind die Ergebnisse allerdings nur von untergeordneter Relevanz. Einigkeit bestand bei folgender fiktiver Situation: »Ein Fremder nimmt ein vierjähriges Mädchen mit in den Keller und berührt sie zwischen den Beinen.« 92 % der Männer und 93 % der Frauen waren der Meinung, daß dies als kriminelle Handlung angesehen werden sollte. [BK1, 97 u. 146]

Um eventuelle Veränderungen in der Anzeigebereitschaft festzustellen, wurden den Befragten verschiedene fiktive Fälle aus den Bereichen Unzüchtigkeit gegenüber Mädchen, Unzüchtigkeit gegenüber Frauen, Voyeurismus und Exhibitionismus vorgestellt. Sie sollten dann angeben, ob sie diese Handlung vor 10 Jahren angezeigt hätten und ob sie sie heute anzeigen würden. Die Ergebnisse [BK1, 99 u. 151 ff.]:

Fiktive SituationMännerFraueninsgesamt

Unzüchtigkeit gegenüber Mädchen
»Stellen Sie sich vor, ein fünfjähriges Mädchen käme nach Hause und berichtet, daß ein fremder Mann sie dazu gebracht habe, seinen Penis zu berühren. Davon abgesehen ist nichts passiert, und das Mädchen ist nicht verängstigt. Was würden Sie tun, wenn es Ihr Kind wäre?«
Hätte vor 10 Jahren angezeigt71 %78 %74 %
Würde heute anzeigen65 %68 %67 %
Differenz6 %10 %7 %
Relativer Rückgang8 %14 %10 %

Unzüchtigkeit gegenüber Frauen
»Stellen Sie sich vor, daß eine Frau im Trepenhaus an einem fremden Mann vorbeigeht, der ihr unter den Rock faßt und sie außerhalb ihres Schlüpfers zwischen den Beinen berührt. Er läuft auf die Straße und ist verschwunden. Was würden Sie tun, wenn Sie das wären (Ihre Frau)?«
Hätte vor 10 Jahren angezeigt52 %44 %48 %
Würde heute anzeigen43 %32 %38 %
Differenz9 %12 %10 %
Relativer Rückgang17 %27 %22 %

Voyeurismus
»Stellen Sie sich vor, daß Sie sich eines Abends ausziehen und feststellen, daß ein Mann Sie durch den Briefkastenschlitz beobachtet. Was würden Sie tun?«
Hätte vor 10 Jahren angezeigt32 %52 %42 %
Würde heute anzeigen27 %48 %37 %
Differenz5 %4 %5 %
Relativer Rückgang16 %8 %11 %

Exhibitionismus

Die Zahlen für Exhibitionismus wurden bewußt nicht mehr aufgeführt, da dieser Tatbestand zu nichtig erscheint, um seine Ursachen im Detail zu klären. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß der in den Polizeistatistiken zu findende Rückgang exhibitionistischer Straftaten, sofern man den Angaben der Befragten über ihre Handlungsweise jetzt und vor 10 Jahren Glauben schenken kann, durchaus vollständig mit einer gesunkenen Anzeigebereitschaft der »Opfer« erklärbar ist. Andererseits könnten gerade Exhibitionisten in der Pornographie eine Alternative zur Selbstentblößung sehen. Kutschinsky schreibt: »Der ›Pornographie-Faktor‹ könnte einige frühere oder potentielle Täter dieser Art beeinflussen, da viele von ihnen positiv auf Pornographie reagieren [PG1, 394].« [BK1, 119]

Voyeurismus

Der relative Rückgang der Anzeigebereitschaft beträgt bei Frauen 8 % und bei Männern 16 %. Da beim Tatbestand des Voyeurismus die Opfer meist auch diejenigen sind, die Anzeige erstatten [BK1, 111] und die Opfer meist weiblich sind, erscheint ein relativer Rückgang von ca. 8 % realistisch. Nichtsdestotrotz ist die Zahl der Fälle von Voyeurismus von 1959 bis 1969 um rund 80 % zurückgegangen. Mit einer gesunkenen Anzeigenbereitschaft ist höchstens ein winziger Bruchteil dieses Rückgangs erklärbar. Zwar gaben befragte Polizisten in Schlüsselpositionen auch zu, die Opfer von Voyeuren eher zu beruhigen, als die Anzeigen zu registrieren [BK1, 113], aber es besteht kein Grund anzunehmen, die Polizei habe ihr Verhalten gegenüber Voyeuren in den Jahren 1959 bis 1969 geändert.

Andererseits ist es ziemlich offensichtlich, daß der Voyeur auf visuelle Reize abzielt, er möchte schlicht und einfach eine nackte Frau zu Gesicht bekommen. Die Freigabe von Pornographie ermöglichte es etlichen Voyeuren, statt unter Gefahr der Strafverfolgung in fremde Häuser zu spähen, gemütlich zu Hause die begehrten Magazine zu durchblättern oder sich in Porno-Film-Clubs zu treffen. Für eine solche Verschiebung der Triebbefriedigung spricht auch die zeitliche Abfolge der Ereignisse. Der Rückgang begann 1960, nach Kutschinsky auch der Beginn der dänischen »Porno-Welle« die später zur Freigabe von Pornographie führter (siehe auch Zeittafel). Von 1962 bis 1965 stieg die Zahl der Fälle von Voyeurismus wieder an, das war auch die Zeit der sogenannten »Porno-Literatur-Welle«. Als dann ab 1965 die Bilder den Markt überschwemmten, ging die Zahl der Fälle rapide zurück. [BK1, 125]

Solange Sexualität allerdings keinen normalen Platz in der menschlichen Wirklichkeit einnimt, wird es immer Voyeure geben, die allein aus der Beobachtung einen emotionalen »Kick« bekommen.

Unzüchtiges Verhalten gegenüber Frauen

Der Tatbestand »unzüchtiges Verhalten gegenüber Frauen« beinhaltet ungesetzliche, körperliche, sexuelle Belästigung erwachsener Frauen, ausgenommen Vergewaltigungen, betrifft also nicht Voyeurismus, Exhibitionismus oder verbale Unzüchtigkeit. Die Zahl der Fälle ist zwar von 1959 bis 1969 stark zurückgegangen, doch es gab einige starke Schwankungen. Deutlich sichtbar wurde der Abwärtstrend erst ab ungefähr 1966.

Kutschinsky führt den Rückgang bis auf das letzte, starke Absinken 1969 auf eine veränderte Einstellung der Opfer zurück. Der angenommene relative Rückgang der Anzeigebereitschaft von 27 % bei den Frauen scheint allerdings nicht stark genug, um einen Rückgang des Straftatbestandes von 137 (1959) auf 60 (1969) zu erklären, was 56,2 % entspricht. Vielmehr scheint im Zuge der sexuellen Liberalisierung ab ca. 1960 in der Tat ein Wandel der Einstellungen aufgetreten zu sein - die kontinuierliche Behandlung des Themas in den Medien hat sicher viele Frauen beeinflußt, doch der entscheidende Rückgang 1966, auf dem Höhepunkt der Porno-Liberalisierung, kann durchaus auf eine Beeinflussung der Täter durch Pornographie zurückgeführt werden.

Diese Sorte von Straftätern, die in [PG1,132] als »primitiv, phantasielos, impulsiv und opportunistisch« charakterisiert wird, läßt sich durch pornographische Literatur sicher kaum beeinflussen - wer gerne einer Frau in der U-Bahn an die Brüste greift, wird dies nicht unterlassen, wenn man ihm Fanny Hill zu lesen gibt -- am ehesten ist ein Einfluß noch von Pornofilmen zu erwarten, die die gesamte Spielhandlung vorgeben. Der potentielle Täter kann sich hier auch mit wenig Phantasie in die Rolle des Porno-Darstellers versetzen und seine Bedürfnisse so auf einfachere Weise befriedigen. Bilder und Filme wurden aber erst Ende der sechziger Jahre verfügbar [BK1, 115], ungefähr zu dem Zeitpunkt, als die Zahlen deutlich zurückgingen.

Somit scheint der Rückgang auf eine Kombination aus Einfluß auf die Opfer (im Zuge der »sexuellen Revolution«) und die Täter (durch pornographische Bilder und vor allem Filme) zurückzuführen zu sein.

Unzüchtiges Verhalten gegenüber Mädchen


Liste (physischer) Unzüchtigkeit gegenüber Mädchen in Kopenhagen, von der Polizei 1959-69 registriert. Index-Nr. 100 = 282 Fälle. [BK1, 125]

Der Tatbestand umfaßt sexuelle Belästigung von Mädchen unter 15 Jahren, der Koitus ist ausgenommen. Die Opfer sind gewöhnlich unter 12, das Vergehen geschieht meist in Form sexueller Annäherung, oder das Kind wird gezwungen, den Penis des Tätes zu berühren.

Der aus den Antworten der Befragten hervorgehende relative Rückgang der Anzeigenbereitschaft (Männer und Frauen) beträgt 10 %, der Rückgang des Straftatbestandes in der Polizeistatistik hingegen 69,1 %. Es besteht fast völlige Einigkeit darüber, daß es sich um eine kriminelle Handlung handelt. Die Behandlung der Straftat durch die Polizei hat sich nicht geändert. Es liegt also ein objektiver Rückgang vor, der nur durch einen Einfluß auf die potentiellen Täter erklärbar ist.

Bei den Tätern handelt es sich nach Gebhard et al. um »moralistische und konservative« Menschen, die in einem Konflikt zwischen ihren moralischen Prinzipien und ihrem Verhalten gefangen sind [PG1, 81]. Es handle sich in der Regel nicht um Päderasten (nur ein Drittel bis ein Viertel der von Gebhard et al. untersuchten Täter konnte so klassifiziert werden), »da diese Männer meist nicht bewußt Kinder als Sexualpartner vorziehen, sondern sie einfach annehmbar fanden« [PG1, 74]. Das sexuelle Erlebnis mit dem Kind ist dem Täter also meist ein Ersatz für ein bevorzugtes, aber unerreichbares normales heterosexuelles Erlebnis.

Viele dieser Menschen nutzen die Alternativen, die ihnen geboten werden. So ist auch ein fast kontinuierlicher Rückgang seit 1959 erklärbar: Mit zunehmender Liberalisierung verschiedenartigen pornographischen Materials wichen die potentiellen Täter auf dieses aus, anstatt sich an Kindern zu vergreifen. Auch dürfte die sexuelle Liberalisierung insgesamt einige Menschen dazu bewegt haben, ihre konservative Haltung zur Sexualität aufzugeben, so daß ihre Beziehungsfähigkeit sich verbesserte.

Alles deutet darauf hin, daß die Freigabe von Pornographie in Dänemark den sexuellen Mißbrauch von Kindern reduziert hat.

Zusammengestellt von Erik Möller. Ergänzungen, Korrekturen, Fragen und Kritik sind stets willkommen. Diese Seite arbeitet bewußt mit schlichter Gestaltung, um geringe Ladezeiten und volle Kompatibilität zu gewährleisten. Alle Angaben sind ohne Gewähr.