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Auswirkungen einstündiger Stimulation durch Erotika auf Einstellungen und Verhalten dänischer Studenten
Um die kurzfristigen Folgen des Konsums von Erotika näher zu beleuchten, führte der dänische Psychologe Dr. Berl Kutschinsky 1970 einen »Pornographie-Test« an 72 Kopenhagener Studenten durch. Dieser beinhaltete die einstündige Stimulation durch erotisches Material und die Beantwortung mehrerer Fragebögen vor und nach der »Session«. Die Versuchspersonen waren 43 Männer (Durchschnittsalter 25,6 Jahre) und 29 Frauen (Durchschnittsalter 24,1 Jahre). Ein Großteil der Versuchspersonen lebte in Paarbeziehungen. 47 % der Männer und 66 % der Frauen hatten nach eigenen Angaben noch nie einen pornographischen Film gesehen [BK1, 52].
Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erhöhen, wurden die Versuchspersonen in drei Gruppen unterteilt, denen die verschiedenen Fragebögen in unterschiedlicher Reihenfolge vorgelegt wurden. Außerdem wurden die Versuchspersonen nicht darüber informiert, daß 4 Tage nach dem Experiment (Gruppen B und C) bzw. 14 Tage nach dem Experiment (Gruppe A) weitere Fragebögen folgen würden.
Die mit dem Fragebogen-Instument SIKOL (Special Intrument for the Study of Knowledge and Opinion about Law) überprüfte Einstellung zu Sexualverbrechen wurde durch den Pornographiekonsum in keiner Weise beeinflußt. [BK1, 55]
Es wurden zwei Farbfilme zu je 15 Minuten gezeigt, jede Versuchsperson erhielt 5 Farbmagazine (immer die gleichen), und ein männlicher Sprecher las ein Stück pornographischer Literatur vor.
Die unmittelbare Reaktion auf die gezeigten Erotika
Obwohl es sich bei dem visuellen Material nach Aussagen von Experten um das »Beste« handelte, was zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stand [BK1, 56], bewerteten die Versuchspersonen die »Porno-Session« vorwiegend als langweilig, fade, gleichförmig und geschmacklos. Die Filme wurden insgesamt als erregender empfunden als die Magazine [BK1, 57]. 28 % der Frauen empfanden den verlesenen Text als erregender als den Film, nur 14 % der Männer teilten diese Meinung [BK1, 58].
Die Versuchspersonen wurden gebeten, ihr Empfinden über den Verlauf der Sitzung zu charakterisieren. Die Männer empfanden dabei zu Anfang Heiterkeit, Genuß und angenehme Überraschung, alle drei Empfindungen sanken aber schon nach dem Beginn der Sitzung deutlich ab, während sie am Ende durch die permanent steigenden Empfindungen Langeweile, Übersättigung, Enttäuschung, Müdigkeit und Irritation deutlich übertroffen wurden. Die sexuelle Erregung der Männer stieg bis zur Mitte der Sitzung leicht an, sank dann aber zum Ende der Sitzung hin deutlich. Ihre »Lust« sank von Anfang an. Nichtsdestotrotz empfanden sie einen steigenden Drang nach sexueller Betätigung. [BK1, 59 u. 61]
Bei den weiblichen Versuchspersonen bot sich ein etwas anderes Bild: Genuß und angenehme Überraschung stiegen zur Mitte an und fielen dann, Spannung und Heiterkeit sanken von Anfang an. Enttäuschung wurde nur von wenigen empfunden, doch ansonsten entsprachen die starken negativen Empfindungen gegen Ende in etwa denen der Männer. Ungefähr 65 % der Männer und der Frauen empfanden am Ende der Sitzung Langeweile. Die sexuellen Empfindungen dagegen stiegen von einem niedrigen Niveau langsam an, wobei die »Lust« sich nach einem starken Zuwachs von rund 5 % auf fast 30 % gegen Ende langsam senkte, sexuelle Erregung und Drang nach sexueller Betätigung hingegen auch zum Ende hin noch zunahmen. Insgesamt waren die sexuellen Empfindungen der Frauen deutlich schwächer als die der Männer, wobei die (steigende) sexuelle Erregung der Frauen am Ende der (sinkenden) Erregung der Männer entsprach. [BK1, 60f.]
Zum Verlauf der sexuellen Erregung ist auch die folgende Tabelle aufschlußreich [BK1, 63]:
Verlauf der sexuellen Erregung während der Porno-Session, basiert auf selbst eingeschätzten »Erregungspunkten«: | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Extrem geringschätzige Bewertung der Erotika war selten und häufiger bei Frauen als bei Männern zu finden. Angstgefühle, verletzte Anstandsgefühle, peinliche Verlegenheit, Unbehagen, Unruhe und Ekel wurden von je zwei bis drei Männern und zwei bis vier Frauen vermerkt. Schock oder Zorn empfand keine der Versuchspersonen. [BK1, 62]
19 % der Männer gaben an, eine »vollständige Erektion« gehabt zu haben, 67 % sprachen von einer »schwachen Erektion«, 12 % hatten nach eigenen Angaben keine Erektion. 61 % der Frauen hatten »Genitalreaktionen«.
Diese Ergebnisse waren durchaus vorhersehbar. Grundsätzlich sprach das gezeigte Material eher Männer an, da es primär visuell orientiert war [siehe auch BK1, 66]. Eine große Gruppe (während der Sitzung selbst wurden die Versuchspersonen nicht in kleinere Gruppen unterteilt) wurde einstündiger Stimulation ausgesetzt, ohne daß ihr ein Ventil für die sexuelle Erregung geboten wurde - dies führte zwangsläufig schon nach kurzer Zeit zu steigender Langeweile. Daß sexuelle Erregung in einer solchen Gruppe nicht unbedingt zugegeben oder gar zu unterdrücken versucht wird, ist außerdem zu erwarten. Die seltenen Negativbewertungen zeigen aber, daß erotische Filme, Darstellungen und Texte weder als frauenverachtend noch als »unzüchtig« empfunden wurden.
Einflußfaktoren bei der Bewertung des Materials
Weder Milieufaktoren noch der sexuelle Hintergrund der Versuchspersonen spielten für die Bewertung des gezeigten Materials eine Rolle. Versuchspersonen, die im Vorfeld ein Interesse an »abweichenden, abnormen« Praktiken angegeben hatten, neigten eher dazu, Pornographie günstig zu beurteilen und angenehmer zu empfinden. Dieselbe Korrelation bestand bei Männern, die vorher schon Pornographie gesehen hatten und bei Frauen, die Interesse an Pornographie erklärt hatten. Außerdem beurteilten Personen, die von der Pornographie sexuell stark erregt wurden, diese auch günstiger und erhöhten mit größerer Wahrscheinlichkeit in den folgenden 24 Stunden ihre sexuellen Aktivitäten. [BK1, 64]
Wirkung der Erotika innerhalb von 24 Stunden
In den 24 Stunden nach dem Experiment ausgeteilten Fragebögen wurde unter anderem nach zu- oder abnehmender Masturbationsaktivitität gefragt. Wie die folgende Tabelle zeigt, gab eine deutliche Mehrheit der Versuchspersonen an, ihr Masturbationsverhalten nicht verändert zu haben [BK1, 67]:
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Ganz im Gegensatz zur populären Meinung, Pornographie fördere autoerotische sexuelle Aktivitäten, war die Zunahme der Beischlafsaktivät innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Sitzung größer als die der Masturbationsaktivität [BK1, 68]:
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Einflußfaktoren beim Verhalten innerhalb der ersten 24 Stunden
Wie oben erwähnt hatte die Mehrzahl der Versuchspersonen einen Partner. Setzt man die Art der sexuellen Aktivitäten in Beziehung mit den Lebensverhältnissen der Versuchspersonen, stellt man fest, daß Pornographie innerhalb der ersten 24 Stunden, sofern sie überhaupt eine Wirkung hat, die für den Konsumenten normalen sexuellen Aktivitäten verstärkt: Alleinstehende masturbieren möglicherweise etwas häufiger, Ehepaare haben unter Umständen häufiger Geschlechtsverkehr. Keiner der Männer, die mit ihrer Partnerin (Ehefrau, Verlobte, Freundin) anwesend waren, gab innerhalb der ersten 24 Stunden steigende Masturbationsaktivität an. [BK1, 69]
Milieufaktoren spielten erneut keine Rolle. [BK1, 70]
Männer und Frauen, die im Vorfeld angaben, starkes oder fast gar kein Interesse an »abweichenden« sexuellen Praktiken zu haben, neigten eher zu einer sinkenden Beischlafsaktivität in den ersten 24 Stunden als solche, die moderates Interesse bekundeten.
Änderungen von Verhalten und Einstellungen nach mehr als 24 Stunden
Vier Tage nach der »Porno-Session« wurden zwei der drei Gruppen erneut mit Fragebögen getestet. Drei Männer und eine Frau berichteten über häufigeres Onanieren. Drei Männer und eine Frau vermeldeten starke Erhöhung der Beischlafbetätigung, wiederum drei Männer und eine Frau sprachen von einer leichten Erhöhung. Insgesamt war die Pornographiewirkung also fast vollständig abgeklungen. Die erste Gruppe wurde über Veränderungen in der zweiten Woche befragt, wobei kein Anstieg sexueller Aktivitäten festzustellen war. [BK1, 71]
Einige Versuchspersonen vermerkten weitere Verhaltensänderungen. So gaben zwei Männer (keine Frau) befriedigendere sexuelle Betätigung an, während sechs Männer und fünf Frauen abwechslungsreichere sexuelle Betätigung ankreuzten. [ebenda] Eine Frau beschrieb im Nachhinein, wie sie und ihr Mann durch die Erotika dazu angeregt wurden, eine neue Variante des Beischlafs zu versuchen [BK1, 74]. Keine der Versuchspersonen vermerkte, aufgrund der Pornographie Unbehagen beim Sex oder Frustrationsgefühle empfunden zu haben [BK1, 75f.].
Insgesamt führte der Pornographiekonsum zu einem abnehmenden Interesse an abweichenden sexuellen Praktiken, was der These zuwiderläuft, Pornogrpahie fördere »Lüsternheit« [BK1, 78]. Es gilt jedoch zu überprüfen, ob nicht gar das Gegenteil der Fall ist, daß exzessiver Pornographiekonsum also zu einer Verarmung des Geschlechtslebens führt. Die obigen Ergebnisse deuten aber darauf hin, daß selbst bei starkem Konsum lediglich die bisherigen Einstellungen verstärkt werden.
Eine weitere Hypothese wurde eindeutig widerlegt: Der Konsum von Pornographie fördere das Bedürfnis nach mehr. Das Gegenteil war der Fall, fast alle Versuchspersonen empfanden Übersättigung, und selbst nach vier bis 14 Tagen erklärten viele Teilnehmer, das Interesse an Pornographie verloren zu haben. Nur eine Person bekundete zunehmendes Interesse. [BK1, 83]
Alle Aussagen der Versuchsteilnehmer konnten natürlich nur subjektiv sein. Durch die Tabuisierung des Themas sind Verfälschungen möglich. Diese würden jedoch eher zu negativeren Aussagen führen - insofern müßten die Ergebnisse höchstens ins Positive korrigiert werden.
Zusammengestellt von Erik Möller. Ergänzungen, Korrekturen, Fragen und Kritik sind stets willkommen. Diese Seite arbeitet bewußt mit schlichter Gestaltung, um geringe Ladezeiten und volle Kompatibilität zu gewährleisten. Alle Angaben sind ohne Gewähr. |